EDITORIAL

Rauchzeichen aus der Zwischenwelt

Prof. Dr. Thoé-KozmienskyZwischenlager brennen, jede Woche zwei bis drei Mal. Das hat Folgen: Atmosphäre, Boden, Grund- und Oberflächenwasser werden geschädigt, die meist freiwilligen Feuerwehren sind für derartige Brandbekämpfung nicht ausgebildet, die Brandreste müssen deponiert werden, obwohl sie nicht die Qualität von Aschen aus gesetzeskonformen Verbrennungsanlagen aufweisen, die Gesundheit von Menschen wird gefährdet.

Unproblematisch sind Zwischenlager, die für einen eng begrenzten Zeitraum angelegt werden, beispielsweise um Abfälle vorübergehend zu lagern, die wegen geplanter oder ungeplanter Anlagenstillstände oder wegen vorübergehender Behandlungsengpässe nicht sofort behandelt werden können, aber nach kurzer Zeit wieder abgebaut werden.

Unbehandelter Restabfall, für den Behandlungskapazität nicht vorhanden ist, darf ein Jahr in Notfallzwischenlagern untergebracht werden, muß dann aber rechtskonform behandelt werden. In vielen Fällen werden notwendige Behandlungskapazitäten auch nach Ablauf dieser Frist nicht verfügbar sein. Die ersten Restabfälle, die unbehandelt zwischengelagert wurden, müssen seit dem 1. Juni 2006 rückgeholt und behandelt werden. Jedoch reicht die Behandlungskapazität vielerorts nicht einmal für das laufende Abfallaufkommen. Viele Abfälle werden also auch nach einem Jahr in den Zwischenlagern bleiben. Aus Gründen des Rechtsverständnisses und wegen drohender strafrechtlicher Tatbestände, aber auch im Interesse des Umweltschutzes darf dieser Zustand nicht toleriert werden. Zudem stellt sich die Frage, wie Abfall behandelt werden soll, der auf Deponien eingebaut, also nicht in Ballen verpackt ist. In diesen Zwischenlagern verändert sich die Qualität des Restabfalls, es stellen sich anaerobe Zustände ein, die vor dem Rückbau ins Aerobe gewandelt werden müssen; der Wassergehalt verteilt sich gleichmäßig im gesamten Abfall, Rottevorgänge schreiten fort. Folglich wird es schwierig sein, diesen Abfall wieder aufzubereiten, um daraus Ersatzbrennstoff herzustellen. Verbrannt werden kann der rückgeholte Abfall nur, wenn er mit frischem Restabfall höheren Heizwerts gemischt wird. Letztlich sind die Kosten zu betrachten. Zu den Behandlungskosten kommen die Kosten für den Rückbau der Zwischenlager und für die Logistik. Für mich ist kaum ein anderer Ausweg erkennbar, als der, daß man diese Zwischenlager rechtlich abgesichert in Endlager umwandelt. Rechtlich ist dieser Weg derzeit ausgeschlossen, außer in Notfällen für sehr begrenzte Mengen, sofern der Nachweis erbracht werden kann, daß europaweit keine Behandlungskapazitäten zur Verfügung stehen. Damit ist den unfreiwilligen Betreibern der überquellenden Zwischenlager aber nicht geholfen.

Allerdings dürfen die Verursacher der Malaise nicht als Gewinner dastehen. Verantwortlich sind diejenigen, die zu spät für ausreichende Abfallbehandlungskapazitäten gesorgt haben oder Entscheidungen für nicht erprobte Behandlungsverfahren herbeigeführt haben. Eine Lösung könnte darin bestehen, eine Abfallablagerungsabgabe zu erheben, die zum Beispiel wie in Österreich für die Sanierung von Altlasten verwendet werden könnte. Diese Abgabe müßte aber mindestens so hoch sein, wie die Kosten für die Rückholung und die Behandlung der zwischengelagerten Abfälle. Das hätten die Verantwortlichen vor den Betroffenen, in der Regel den Gebührenzahlern, zu vertreten.

Schwer zu lösen ist das Problem für die Ersatzbrennstoffe, die in Folien verpackt oder in Hallen zwischengelagert werden. Die Brennstoffe dürfen zwar drei Jahre lang im Lager bleiben, doch ist hier die Brandgefahr besonders hoch. Auch wird nach Ablauf dieser Frist voraussichtlich noch keine ausreichende Verwertungskapazität zur Verfügung stehen. Zudem wird sich die Qualität der jahrelang zwischengelagerten Ersatzbrennstoffe verschlechtert haben. In die Ballen wird Wasser eindringen, dafür sorgen von oben die Vögel, von unten die Ratten, aber auch die mechanischen Beschädigungen, die durch das Handling und durch die Auflast verursacht werden. Mit den Problemen der Qualitätsverschlechterung der zwischengelagerten Ersatzbrennstoffe werden wir uns ebenfalls zu beschäftigen haben, wenn diese sich bis dahin nicht selbst entzünden werden.

D
ie Probleme sind jetzt schon groß und werden zunehmen. Obwohl sich die Umweltministerkonferenz im Mai erneut dagegen ausgesprochen hat, die Bestimmungen der Abfallablagerungsverordnung aufzuweichen, werden die Verantwortlichen einen Ausweg aus der sich verschärfenden Situation aufzeigen müssen.

Die selbstverschuldeten Probleme haben technische, ökologische, ökonomische, rechtliche und politische Aspekte. Auf der Konferenz am 20. September 2006 werden diese Fragen zwar nicht gelöst werden, aber Hinweise für den Umgang mit den Zwischenlagern dürfen erwartet werden.

Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c
Karl J. Thomé-Kozmiensky



Copyright: © Rhombos Verlag
Quelle: ENERGIE AUS ABFALL (Juli 2006)
Seiten: 1
Preis: € 0,00
Autor: Prof. Dr.-Ing. habil. Dr. h. c. Karl J. Thomé-Kozmiensky
 
 Artikel nach Login kostenfrei anzeigen
 Artikel weiterempfehlen
 Artikel nach Login kommentieren


Login

ASK - Unser Kooperationspartner
 
 


Unsere content-Partner
zum aktuellen Verzeichnis



Unsere 3 aktuellsten Fachartikel

Erfahrungen bei der Beratung von Vergärungs- und Kompostierungsanlagen
© Witzenhausen-Institut für Abfall, Umwelt und Energie GmbH (4/2024)
Die Verwendung von Biogut- und Grüngutkompost ist eine Möglichkeit, Nährstoffdefizite im Ökolandbau zu vermeiden sowie die Bodenfruchtbarkeit zu erhalten und sogar zu steigern.

Grundstrukturen und Gütekriterien eines Klimawandelfolgenrechts
© Lexxion Verlagsgesellschaft mbH (2/2024)
Der Klimawandel geschieht. Und ganz unabhängig davon, wie stark wir ihn bremsen werden, spüren wir schon heute seine unabwendbaren Folgen und werden in Zukunft noch stärker mit ihnen zu kämpfen haben.

CDR-Technologien auf dem Weg in die Klimaneutralität
© Lexxion Verlagsgesellschaft mbH (2/2024)
Der Klimawandel nimmt besorgniserregende Ausmaße an. Zugleich wird klimaneutralität versprochen. Im Paris-Abkommen nur vage in Aussicht gestellt, soll ausweislich Art. 2 des europäischen Klimagesetzes für die Union im Jahr 2050 und nach § 3 Abs. 2 KSG für Deutschland bereits 2045 bilanziell Klimaneutralität erreicht sein.