Die Beschränkung der erwerbswirtschaftlichen Betätigung der Kommunen entsprechend dem Örtlichkeitsprinzip kann europarechtlich keinen Bestand haben
Die Frage nach den Grenzen und den grenzüberschreitenden Möglichkeiten für eine erwerbswirtschaftliche Betätigung von Kommunen ist auf der Grundlage von Gemeindeordnung, des Grundgesetzes und des EG-Vertrags zu prüfen.
Die Grenzen einer wirtschaftlichen Betätigung, die das Kommunalrecht den Gemeinden auferlegt, sind auch auf die Bereiche der Abfallentsorgung zu beziehen, in denen kommunale Anbieter mit privaten Unternehmen in Konkurrenz stehen. Ausgenommen hiervon sind hoheitlich wahrzunehmende Pflichtaufgaben, wie dies nach der Überlassung von Abfällen zur Beseitigung der Fall ist. Die Grundrechte verlangen Abwehrmöglichkeiten Privater auch jenseits einer unerträglichen und schweren Beeinträchtigung, durch die private wirtschaftliche Betätigung unmöglich gemacht oder unzumutbar eingeschränkt wird oder aber eine unerlaubte Monopolstellung entsteht. Indes beschränken auch die Grundrechte nicht, wie die Kommunen die Preise für ihre Pflichtaufgaben gestalten, sofern es sich nicht um Kampfpreise gegen private Anbieter handelt. Entsprechendes gilt für die Grundfreiheiten.
Die Grundfreiheiten und die Wettbewerbsfreiheit verlangen eine Aufhebung des Örtlichkeitsprinzips, sofern dieses nicht für die kommunale Aufgabenerledigung zwingend ist. Das Örtlichkeitsprinzip kann daher nur für den Bereich der Beseitigung von Abfällen Bestand haben, der auch europarechtlich durch das Prinzip der Nähe und der Entsorgung im jeweiligen Mitgliedstaat nach Art. 5 Abfallrahmenrichtlinie geprägt ist.81 Soweit bei Verbringungen in andere Regionen Engpässe auftauchen, können einzelne Abfallerzeuger und -besitzer beziehungsweise Entsorgungsregionen bestimmten Anlagen zugeordnet werden. Das gilt insbesondere jetzt angesichts knapper werdender Entsorgungskapazitäten aufgrund der Vorbehandlungspflicht von Abfällen auf Deponien. Diese sowohl vom EuGH82 als auch vom BVerwG gebilligte Vorbehandlungspflicht wird im übrigen auch dazu führen, daß die Preise für die Deponierung deutlich teurer werden. Daher wird sich das Problem, das im OVG NRW-Beschluß vom 23. März 2005 zugrunde lag, nämlich eine aus Sicht des privaten Anbieters zu niedrige Gebührenfestsetzung für eine Deponierung, in der Praxis regelmäßig nur noch stellen, wenn die erhöhten Kosten durch eine verstärkte Anlieferung von Abfällen überkompensiert werden und eine daraus erwachsende Vergünstigung auch gewerblichen Anlieferern außerhalb des allgemeinen Anschlußzwangs zuteil wird.
Copyright: | © Rhombos Verlag |
Quelle: | ENTSORGUNGSBETRIEBE (April 2006) |
Seiten: | 6 |
Preis: | € 0,00 |
Autor: | Univ.-Prof. Dr. jur. Walter Frenz |
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