Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 7.9.2004 in der Rechtssache C-1/03 (van de Walle“ bzw. Texaco“) ist in der deutschen Fachöffentlichkeit und darüber hinaus mit großer Aufmerksamkeit und teils Besorgnis aufgenommen worden. Dies betrifft die in dem Urteil gefundene Konkretisierung des Erzeugerbegriffes, vor allem aber die zentrale Aussage des Gerichtshofes, dass kontaminiertes Erdreich auch vor seiner Auskofferung Abfall darstellt. Hierzu im Widerspruch steht die deutsche Abfalldefinition des § 3 Abs. 1 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG), die die Abfalleigenschaft ausdrücklich auf bewegliche Sachen“ begrenzt.
So ist es nicht verwunderlich, dass die ersten Stellungnahmen zu diesem Aspekt des Urteils4 die Frage aufwerfen, ob die Entscheidung zu einer grundlegenden Umgestaltung des deutschen Abfallrechts, insbesondere im Verhältnis zum Bodenschutzrecht, nötigt. Da der Gerichtshof mit seiner Entscheidung erneut grundlegende Fragen des Anwendungsbereichs des Abfallrechts berührt und sie zum wiederholten Male anders zu beurteilen scheint, als dies der nationale deutsche Gesetzgeber für angezeigt gehalten hat, lässt sich das Urteil scheinbar in die Reihe derjenigen früheren Aussprüche einordnen, die eine tiefgreifende Neuordnung des deutschen abfallrechtlichen Regimes veranlasst haben oder eine solche zumindest nahezulegen scheinen. Ob dieser erste Eindruck bei eingehender Analyse des Urteils und dem Abgleich der deutschen Rechtslage mit den hieraus abzuleitenden Anforderungen Bestand hat, begegnet indes nachhaltigen Zweifeln. Zu Recht wird den besorgten Stimmen, die aus dem Urteil eine weitgehende Erstreckung des KrW-/AbfG auf kontaminierten Boden und eine Aushebelung“ des deutschen Bodenschutzrechts folgern, entgegengehalten, dass dies eine Überinterpretation der Konsequenzen der Entscheidung des Gerichtshofes wäre. Bei nüchterner Betrachtung zeigt sich, dass das deutsche Recht zur Beherrschung von Bodenverunreinigungen materiell keine nennenswerten Defizite gegenüber den europäischen Vorgaben aufweist. Vorschnell erscheint aber auch die Annahme, es seien in formeller Hinsicht zwingende Konsequenzen notwendig, die etwa darin bestehen, dass das in § 3 Abs. 1 KrW-/AbfG enthaltene Tatbestandsmerkmal bewegliche Sache“ zu streichen und bis zu einer entsprechenden Änderung des deutschen Rechts unangewendet zu lassen ist. Nach hier vertretener Auffassung ergibt sich aus dem Urteil nicht die Notwendigkeit, im deutschen Recht einen weiten, auch kontaminierte Böden umfassenden Abfallbegriff anzuwenden und hieran Rechtsfolgen anzuknüpfen, die zwar das nationale Recht für Abfälle vorsehen mag, die jedoch nach europäischem Abfallrecht nicht geschuldet“ sind. Insofern besteht auch die Besorgnis, dass nunmehr verunreinigter Boden bzw. Altlasten“ generell als Abfall zu entsorgen“ wären, nicht.
Copyright: | © Lexxion Verlagsgesellschaft mbH |
Quelle: | AbfallR 04/2005 (August 2005) |
Seiten: | 9 |
Preis: | € 32,00 |
Autor: | RA Dr. Martin Dieckmann |
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