Kommt jetzt der „Abfallgebührenschock“?

Mit der ab dem 1. Juni 2005 gültigen Abfallablagerungs-Verordnung (AbfAblV) hat Bundesumweltminister Jürgen Trittin das vollendet, was seine Amtsvorgänger Prof. Klaus Töpfer und Angela Merkel einst angestoßen hatten – allerdings ohne daß er hierbei die Kostenfolgen ausreichend bedacht hat.

Mit der neuen AbfAblV sind die Anforderungen an eine legale Abfalldeponierung sachlich und kostenmäßig so hochgeschraubt worden, daß sehr bald nach 2005 die legale Deponierung praktisch flächendeckend beendet werden wird.
Der von den Grünen jahrelang propagierte Ausweg „mechanisch-biologische Vorbehandlung und danach Ablagerung“ ist durch die extrem aufwendigen und kostenintensiven Vorgaben der 30. BImSchV de facto verbaut: Alle Gebietskörperschaften, die auf diesen Weg setzen, muten ihren Abfallgebührenzahlern auf Dauer weit überhöhte Gebühren zu, weil diese Abfallbehandlungs- und -entsorgungsmethode zwar nunmehr ökologisch akzeptabel, aber auf Dauer in dem sich stark wandelnden und rationalisierenden Abfallmarkt viel zu teuer ist.
Allein das ökologisch begrüßenswerte Verbot der Ablagerung auf nicht basisabgedichteten Deponien und die damit verbundenen weiteren Kostenprobleme werden für viele Bürger sehr hohe Gebührensteigerungen zur Folge haben, die dem Abwasserpreisschock in den neuen Bundesländern gleichkommen dürften.
Was bleibt übrig? Legal und unter ökonomisch tragbaren Bedingungen einsetzbar sein dürften ab dem Jahre 2005 auf Dauer nur noch neue optimierte Müllverbrennungsanlagen (in der Szene wird von Tonnenpreisen von 90 bis 125 Euro gesprochen) und eventuell extrem ausgeklügelte kostenoptimierte (rohstoffliche) Verwertungs- und Behandlungsysteme oder ökologisch optimale Energetische Verwertungsanlagen mit Kraftwärmekopplung (KWK- EnVA).
 Das legale Überspringen der Zeit-Hürde 1. Juni 2005 (quasi Nulldeponierung) ist nur der Aufgalopp zum „abfallwirtschaftlichen Hoch-Weitsprung“: dauerhaft ökologisch tragfähige aber insbesondere auch ökonomische Behandlung und Beseitigung! All diejenigen, die aus ökologischem (Über-)Engagement, bei Ausschaltung ökonomischen Sachverstandes, auf zu teure Behandlungs- und Verwertungssysteme setzen, werden mit Roß (Gebührenzahler) und Reiter (Politiker/ Entsorger) an dieser Hürde scheitern!
Auf Dauer gilt auch bei einem weiter liberalisierten „Abfallmarkt“ das abgewandelte Wort Gorbatschows: Wer zu teuer behandelt oder beseitigt, den wird der Markt bestrafen! Entweder die privaten Kunden bleiben bei Ihrer Gebietskörperschaft „gefangen“ (‚Captive Customers’) und müssen (weit) überhöhte Preise zahlen oder das Unternehmen, das die zu kostenintensive Behandlung betreibt, gerät in größte Turbulenzen oder legt gar eine Pleite hin.
Will der Verordnungsgeber verhindern, daß allzu viele Rösser und Reiter auf die Nase fallen, muß er die Möglichkeit für eine konditionierte, zeitlich begrenzte Zwischendeponierung auf basisabgedichteten Deponien eröffnen. Die Angst vor dem Staatsanwalt ab 2005 darf nicht ökonomisch rationales und zugleich auch ökologisch sinnvolles abfallwirtschaftliches Handeln verhindern! (Siehe hierzu Beitrag in dieser Ausgabe)
Prof. Dr. Lutz Wicke Umweltstaatssekretär a. D. und Direktor des Instituts für UmweltManagemant (IfUM) an der Europäischen Wirtschaftshochschule Berlin 



Copyright: © Rhombos Verlag
Quelle: 01/2002 - Abfallablagerung (Februar 2002)
Seiten: 0
Preis: € 0,00
Autor: Prof. Dr. Lutz Wicke
 
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