Wien auf dem Weg zur Umweltmusterstadt am Beispiel der Wiener Abfallverbrennungsanlagen

War der Beginn der Abfallverbrennung ein Irrtum? Diese Frage ist berechtigt, wenn man aus heutiger Sicht die Lage der Wiener Abfallverbrennungsanlagen im Wiener Stadtgebiet betrachtet: Die MVA Flötzersteig ging 1965 im Westen von Wien am Abhang des Wienerwaldes in Betrieb, errichtet in herrlich grüner Wohnlage und umgeben von einer Lungenheilanstalt, dem Pulmologischen Zentrum der Stadt Wien, dem Psychiatrischen Krankenhaus, dem Wilhelminenspital, dem Hanuskrankenhaus und ziemlich genau sechs Kilometer vom Stephansdom entfernt.
Der Grund für die Wahl gerade dieses Standortes war die Tatsache, dass alle genannten Spitäler und noch einige andere Einrichtungen der Stadt Wien durch eine zentrale Wäscherei versorgt werden sollten und die wiederum musste natürlich dort errichtet werden, wo noch freier Platz vorhanden war und wo möglichst viel Wäsche anfiel, also inmitten von Spitälern.
Die MVA Spittelau wurde am Donaukanal, etwa 1.500 m vom alten Allgemeinen Krankenhaus und etwa drei Kilometer vom Stadtzentrum entfernt errichtet und ging 1971 in Betrieb. Der Standort am Donaukanal wurde nicht zuletzt deshalb gewählt, um die überschüssige Wärme einfach dorthin ableiten zu können.
Verständlicher wird die Standortwahl, wenn man berücksichtigt, dass man Ende der fünfziger Jahre Anfang der sechziger Jahre begann, sich über die Verwertung der steigenden Müllmengen, die zudem immer energiereicher wurden, Gedanken zu machen: Sie sollten im Volumen deutlich reduziert und inertisiert werden und gleichzeitig Energie liefern.
Ein wichtiger Grund für die dringend notwendige Volumenreduktion des Wiener Hausmülls dürfte auch die Tatsache gewesen sein, dass es damals noch keine zentrale Abfalldeponie in Wien gab, sondern erst mühsam begonnen wurde, durch den Erwerb zahlreicher ausgebaggerter Schottergruben eine zentrale Abfalldeponie zu schaffen. Ein Beweis dafür ist wohl die Tatsache, dass die erste Genehmigung für die Ablagerung von Abfällen auf Teilen der Fläche der heutigen Mülldeponie Rautenweg im März 1965 erteilt wurde.



Copyright: © Thomé-Kozmiensky Verlag GmbH
Quelle: Abfallwirtschaft für Wien (2004) (Dezember 2004)
Seiten: 20
Preis: € 0,00
Autor: Obersenatsrat a. D. Dipl.-Ing. Helmut Löffler
 
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