Endokrin wirksame Substanzen können das Hormonsystem von Lebewesen nachhaltig beeinflussen. Neben natürlich vorkommenden Hormonen in der Umwelt, wie etwa solche aus Pflanzen oder Pilzen, werden mittlerweile eine Vielzahl von Verbindungen in der aquatischen Umwelt nachgewiesen, die ebenfalls endokrin wirksam sind.
Diese Stoffe stammen zum größten Teil aus der industriellen Produktion, bestimmten Produkten oder aus tierischen und menschlichen Ausscheidungen. Als mögliche Eintragspfade in die Umwelt werden Abwassereinleitungen, Sickerwässer aus Abfalldeponien und der Eintrag in Grund- und Oberflächenwasser bei der landwirtschaftlichen oder landbaulichen Verwertung von Klärschlamm diskutiert. Auf solche Einträge werden beispielsweise der Rückgang der Fortpflanzungsfähigkeit und Veränderungen bei der Geschlechtsdifferenzierung von Tieren zurückgeführt. So können erhöhte Konzentrationen von endokrin wirksamen Stoffen zur Verweiblichung von Männchen, Vermännlichung von Weibchen und zunehmenden Unfruchtbarkeit bei Vögeln, Wildkatzen, Reptilien und Fischen führen [1, 2, 3].
Aber auch fur den Menschen sind hormonell bedingte Wirkungen zu befurchten. Veroffentlichungen uber den Ruckgang der Spermienhaufigkeit bei Mannern in den industriealisierten Landern [4] sind ebenso beunruhigend wie eine Zunahme der Haufigkeit von Brust- und Hodenkrebs. Diese Beobachtungen werden mit der endokrinen Wirkung von Umweltchemikalien in Verbindung gebracht, doch sind bisher kausale Zusammenhange nicht nachgewiesen worden. Die Diskussion verlauft kontrovers. Als jungstes Beispiel sei an dieser Stelle die WWFStudie vom 24.12.1999 aufgefuhrt, in der von einem Ruckgang der Spermienkonzentration um bis zu 70 % bei deutschen Mannern in den letzten 40 Jahren berichtet wird [5].
Der Einfluss von Abwassereinleitungen aus Klärwerken auf die Ausbildung eines Eidotterproteins (Vitellogenin) bei männlichen und weiblichen Fischen wurde Ende der Achtziger Jahre in Wales und England nachgewiesen [6]. Dabei konnten aber noch nicht die dafür verantwortlichen Substanzen bestimmt werden. Lediglich Vermutungen über einen möglichen Einfluss natürlicher Östrogene aus den Ausscheidungen von Menschen und Tieren und eines Abbauproduktes nichtionischer Tenside, des Nonylphenols, wurden angestellt. Erst Ende 1996 legte die englische Umweltbehörde einen vorläufigen Bericht vor, in dem natürliche und synthetische Östrogene als verantwortliche Abwasserinhaltsstoffe genannt werden.
Copyright: | © Thomé-Kozmiensky Verlag GmbH |
Quelle: | Verantwortungsbewusste Klärschlammverwertung (2001) (Juni 2001) |
Seiten: | 14 |
Preis: | € 0,00 |
Autor: | Dr.-Ing. Diethelm Weltin Prof. Dr.-Ing. habil. Dr. h.c. Bernd Bilitewski |
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