Notwendigkeit der Charakterisierung von Ersatzbrennstoffen

In Prozessen der Energieumwandlung zur Bereitstellung thermischer und elektrischer Energie – z.B. in Heiz- und Kraftwerken – sowie in Hochtemperaturprozessen zur Stoffumwandlung und -behandlung – z.B. im Zementklinkerbrennprozess oder bei der Stahlherstellung – werden derzeit in der Bundesrepublik etwa 12,1 TJ an Primärenergieträgern in Form von fossilen Brennstoffen (Erdgas, Heizöl, Braun- und Steinkohlen) eingesetzt. Das entspricht etwa 84 % des Gesamtprimärenergieeinsatzes [4]. Im Hinblick auf die Erzielung einer hohen Effizienz bei der Energieumwandlung, der Verringerung von Emissionen und Korrosionserscheinungen, der Verminderung von Verschlackungen, einer möglichst hohen Produktqualität und Anlagenverfügbarkeit usw. sind in diesen Prozessen jeweils angepasst an die Eigenschaften der Primärenergieträger gezielt Anlagensysteme – z.B. Kessel, Brennersysteme – entwickelt und die Prozessführung optimiert worden.

 Gegenwärtige Entwicklungen, z.B. zur NOX-Minderung im Zementklinkerbrennprozess oder zur Wirkungsgradsteigerung im Kraftwerksbereich zeigen, dass dieser Prozess weiter anhält und das Entwicklungspotential noch nicht ausgeschöpft ist. Die brennstofftechnische Charakterisierung und die Optimierung der Prozessführung sind Voraussetzung für den Einsatz fossiler Brennstoffe sowie für die Beurteilung ihrer Austauschbarkeit. Für fossile Brennstoffe liegen umfangreiche Erfahrungen zu den brennstofftechnischen Eigenschaften, die sich grob in

• chemische,

 • mechanische,

• kalorische und

• reaktionstechnische Eigenschaften

unterteilen lassen, vor, und es werden für die Prüfung der jeweiligen Einsatzmöglichkeiten dieser Primärbrennstoffe diesbezügliche Untersuchungen vorgenommen. In Abhängigkeit von den Eigenschaften und brennstofftechnischen Kriterien eines Primärbrennstoffes, kann dieser in eine Systematik eingeordnet werden – z.B. die Einteilung in Brenngase, Heizöle, das Klassifikationssystem für Kohlen.

Die Substitution von Primärbrennstoffen durch Ersatzbrennstoffe in Prozessen der Energieumwandlung und in Hochtemperaturprozessen zur Stoffumwandlung hat in den vergangenen Jahren ständig zugenommen. Ziele der Substitution sind dabei u.a. die Reduzierung der Brennstoffkosten und die Erhöhung der Wirtschaftlichkeit der Anlagen, die Reduzierung der Emission fossilen Kohlenstoffdioxides – z.B. im Rahmen der Selbstverpflichtung der Industrie zur CO2-Reduktion – und die energieeffiziente Nutzung der in Abfällen enthaltenen Energie, u.a. im Hinblick auf die Umsetzung der Abfallablagerungsverordnung.

Mit dieser Zielstellung, Ersatzbrennstoffe in Prozessen der Energieumwandlung und Hochtemperaturprozessen der Stoffumwandlung einzusetzen, ergibt sich für Ersatzbrennstoffe – wie für Primärbrennstoffe – die Notwendigkeit einer brennstofftechnischen Charakterisierung entsprechend der prozessseitigen Anforderungen. Darüber hinaus ist in gleicher Weise, wie das bei Einsatz von Primärbrennstoffen geschieht, die Optimierung der Prozessführung auch bei Einsatz von Ersatzbrennstoffen erforderlich. Ein weiteres Optimierungspotential ergibt sich, wenn die Prozesse der Herstellung der Ersatzbrennstoffe und der Behandlung der verbleibenden, heizwertarmen Restfraktionen berücksichtigt werden, d.h. die gesamte Verfahrenskette betrachtet wird. Für die Beurteilung des Nutzens des Ersatzbrennstoffeinsatzes sind Stoff- und Energiebilanzen für die einzelnen Prozesse und die gesamte Verfahrenskette durchzuführen [10].

Im vorliegenden Beitrag wird, nach einer kurzen Darstellung der Einsatzmöglichkeiten und -potentiale von Ersatzbrennstoffen, zusammenfassend auf deren brennstofftechnische Eigenschaften, die Untersuchung dieser Eigenschaften und sich ergebende Fragen der Prozessführung und -optimierung eingegangen.



Copyright: © Thomé-Kozmiensky Verlag GmbH
Quelle: Ersatzbrennstoffe 3 (2003) (Dezember 2003)
Seiten: 20
Preis: € 0,00
Autor: Professor Dr.-Ing. Michael Beckmann
Dr.-Ing. Martin Horeni
Prof. Dr.-Ing. Reinhard Scholz
Dipl.-Ing. Frank Rüppel
 
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