Ausnahmen von Grenzwerten für Müllverbrennungsanlagen in einer Gasmangellage?

Nach § 31g BImSchG i.V.m. § 6 Abs. 6, § 24 17. BImSchV 'sollen' Müllverbrennungsanlagen eine Ausnahme von der Einhaltung von immissionsschutzrechtlichen Grenzwerten bzw. einzelnen Anforderungen dieser Verordnung erhalten.1 Besteht unabhängig von diesen neuen Ausnahmeregelungen ein zwingender Anspruch nach Katastrophen- und Infektionsschutzrecht, allgemeinem Ordnungsrecht, grundrechtlichen Schutzpflichten oder auf der Basis einer behördlichen Duldung? Oder können diese Gesichtspunkte das Ermessen bei Erteilung einer über § 31g BImSchG zu erteilenden Ausnahmen zu einem Anspruch verdichten? Zwar trat in diesem Winter keine Gasmangellage auf. Das Thema bleibt aber akut.

I. Ausnahmen auf der Grundlage des hessischen Katastrophenschutzgesetzes?
1. Ansatz

Bestehen Ansprüche auf einen Betrieb einer Müllverbrennungsanlage ohne ausreichende Gasversorgung mit niedrigeren Umweltstandards aus Gründen des Katastrophenschutzes? Daraus könnte ggf. ein Anspruch erwachsen, der nicht nur gewährt werden sollte wie nach dem neuen § 31g Abs. 1 S. 2 BImSchG, sondern gewährtwerdenmuss. So enthält § 47 HBKG die Verpflichtung eines Anlagenbetreibers zur Unterstützung der Katastrophenschutzbehörde für die Vorbereitung der Abwehr und bei der Abwehr einer Katastrophe. Zudem sieht etwa das Hessische Brand- und Katastrophenschutzgesetz HBKG)2 diverse Möglichkeiten von Anordnungen vor, die beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen auch ergehenmüssen und nicht nur ergehen können bzw. sollen. Da es um das Handeln von Landesbehörden geht, ist das Landeskatastrophenschutzgesetz einschlägig. Der Katastrophenschutz ist Ländersache, wie auch § 18 Abs. 3 ZSKG zeigt. Das ZSKG3 bezieht sich in erster Linie auf den Zivilschutz und damit auf den Verteidigungsfall im Falle eines militärischen Angriffs. Ansatzpunkte für das Eintreten einer Katastrophe ohne einen weiteren Betrieb ohne Wahrung der Umweltstandards nach der 17. BImSchV sind ein Ausfall notwendiger Energielieferungen, welche bisher durch die Müllverbrennungsanlage erfolgen konnten, sowie eine unterbrochene Entsorgung von Abfällen, deren Gefahrenpotenzial bislang durch eine Verbrennung neutralisiert wurde, woraus schwerwiegende Gesundheitsgefahren resultieren können. Zweck des HBKG ist nach dessen § 1 Abs. 1 sowohl die Gewährleistung vorbeugender und abwehrender Maßnahmen gegen Brände und Brandgefahren (Brandschutz) und gegen andere Gefahren (Allgemeine Hilfe) als auch die Vorbereitung der Abwehr und die Abwehr von Katastrophen (Katastrophenschutz). Damit ist näher zu prüfen, ob eine Katastrophe vorliegt.



Copyright: © Lexxion Verlagsgesellschaft mbH
Quelle: AbfallR 02/2023 (April 2023)
Seiten: 11
Preis: € 32,00
Autor: Univ.-Prof. Dr. jur. Walter Frenz
Prof. Dr. jur. Hans-Jürgen Müggenborg
 
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