Biopolymerproduktion aus Abwasserströmen für eine kreislauforientierte Siedlungswasserwirtschaft

In Laborversuchen wurden Primärschlamm, Braunwasser, Schwarzwasser, Brauerei- und Molkereiabwasser anaerob versäuert, um damit kurzkettige organische Säuren zu gewinnen, die als Substrat zur Biopolymerproduktion genutzt werden können. Ausgehend von den Versäuerungsergebnissen der jeweiligen Abwasserströme wurden Potenzialabschätzungen zur Biopolymerproduktionskapazität für Deutschland durchgeführt.


Ist eine kreislauforientiere Siedlungswasserwirtschaft umsetzbar? Was können wir aus anderen Bereichen wie der Abfallwirtschaft lernen? Wenn in der Abfallwirtschaft keine Vermeidung oder Wiederverwendung von Abfällen möglich ist, priorisiert die Abfallhierarchie aus dem Kreislaufwirtschaftsgesetz eine stoffliche Verwertung vor der energetischen Verwertung oder gar der Beseitigung [1]. Aus der Abfallwirtschaft sind viele positive und bereits seit Jahren etablierte Beispiele zum stofflichen Recycling bekannt. 2017 lagen die Recyclingquoten von Glas bei 100 %, von Papier bei 99 % und bei nicht gefährlichen Bau-und Abbruchabfällen bei 89 %, um nur wenige Beispiele zu nennen [2]. Zumindest bei kommunalen Abwässern sind eine Vermeidung und direkte Wiederverwendung nicht, beziehungsweise nur eingeschränkt möglich, allerdings stehen hier vielfältige Möglichkeiten zur stofflichen Verwertung offen. Im Fokus künftiger Entwicklungen sind hierbei vor allem Wasser, Phosphor, Stickstoff, Kalium und organischer Kohlenstoff zu nennen [3]. Abwasserbehandlungsanlagen haben zwar als zentrale Aufgabe die Reinigung von Abwässern und damit den Schutz von Gewässern, dennoch sollte angesichts steigender Bevölkerungszahlen und der Verknappung von Ressourcen die Entwicklung kreislauforientierter Verfahren nicht vernachlässigt werden. Die Siedlungswasserwirtschaft hat hierbei Nachholbedarf. Mit der Novellierung der Klärschlammverordnung von 2017 gibt es zwar Bemühungen, die stoffliche Rückgewinnung von Phosphor voranzutreiben [4], allerdings gilt es auch, die weiteren Rohstoffe zu beachten.

Nach Wasser bietet der organische Kohlenstoff das zweithöchste massenbezogene Ressourcenpotential in kommunalem Abwasser und sollte daher stärker in den Fokus künftiger Betrachtungen rücken. In der konventionellen kommunalen Abwasserbehandlung mit getrennter aerober und anaerober Stabilisierung werden etwa 37 % des im Abwasser enthaltenen Kohlenstoffs (auf CSB-Basis) unter hohen Energieaufwand aerob zu Kohlendioxid und Wasser umgewandelt und damit beseitigt, weitere 6 % verbleiben im Ablauf [5]. Bei der anaeroben Behandlung werden etwa 30 % des CSBs zu Biogas umgewandelt und im Anschluss einer nach der Abfallhierarchie 'minderwertigen" energetischen Verwertung zugeführt. Im Faulschlamm bleiben noch ca. 27 % des Kohlenstoffs übrig [5]. Diese 27 % machten 2016 bezogen auf kommunale Kläranlagen in Deutschland 1,77 Mio. Mg Trockenmasse aus [6]. Davon wurden 2016 rund 65 % thermisch entsorgt und damit wieder einer nach der Abfallhierarchie 'minderwertigen" energetischen Verwertung zugeführt. 35 % des Schlamms wurden beispielsweise in der Landwirtschaft oder zu landschaftsbaulichen Maßnahmen stofflich verwertet [6]. Durch die vielfach enthaltenen Schadstoffe im Klärschlamm ist eine direkte stoffliche Nutzung des Klärschlamms auf landwirtschaftlichen Flächen problematisch [7]. Daher ist die bisherige stoffliche Verwertung durch die Novellierung der Klärschlammverordnung von 2017 ab 2032 für Kläranlagen mit einer Ausbaugröße von über 50.000 Einwohnerwerten nicht mehr möglich. Bei kleineren Anlagen wird der Anteil der stofflichen Verwertung aufgrund der Einschränkungen der bodenbezogenen Grenzwerte und der Düngemittelverordnung ebenfalls weiter abnehmen.

Insgesamt lässt sich damit erkennen, dass der organische Kohlenstoff im Rahmen der kommunalen Abwasser- und Schlammbehandlung nur sehr eingeschränkt im Sinne einer kreislauforientieren Siedlungswasserwirtschaft behandelt wird. In Anbetracht des großen Ressourcenpotenzials in kommunalen aber vor allem auch in industriellen Abwässern, sollte dem organischen Kohlenstoff mehr Beachtung geschenkt werden.



Copyright: © Springer Vieweg | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
Quelle: Wasser und Abfall 06 (Juni 2020)
Seiten: 0
Preis: € 10,90
Autor: Thomas Uhrig
Julia Zimmer
Florian Rankenhohn
Prof. Dr.-Ing. Heidrun Steinmetz
 
 Diesen Fachartikel kaufen...
(nach Kauf erscheint Ihr Warenkorb oben links)
 Artikel weiterempfehlen
 Artikel nach Login kommentieren


Login

ASK - Unser Kooperationspartner
 
 


Unsere content-Partner
zum aktuellen Verzeichnis



Unsere 3 aktuellsten Fachartikel

Folgen und Perspektiven für eine klimaschonende Nutzung kohlenstoffreicher Böden in der Küstenregion Niedersachsens
© Springer Vieweg | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH (10/2025)
Der Schutz von Mooren und somit kohlenstoffreicher Böden ist ein zentrales Element erfolgreicher Klimaschutzstrategien. Am Beispiel der Küstenregion Niedersachsens wird deutlich, welche sozioökonomischen Folgen eine Wiedervernässung ohne wirtschaftliche Nutzungsperspektiven nach sich ziehen kann. Eine transformative Moornutzung kann nur gelingen, wenn wissenschaftliche Erkenntnisse, politische Rahmenbedingungen, soziale Akzeptanz und ökonomische Realitäten ineinandergreifen.

Zur Berücksichtigung globaler Klimafolgen bei der Zulassung von Abfallentsorgungsanlagen
© Lexxion Verlagsgesellschaft mbH (9/2025)
Der Text untersucht, wie Klimafolgenprüfungen bei Deponien und Abfallanlagen rechtlich einzuordnen sind. Während das UVPG großräumige Klimaauswirkungen fordert, lehnt das BVerwG deren Prüfung im Immissionsschutzrecht ab. Daraus ergeben sich offene Fragen zur Zulassung und planerischen Abwägung von Deponien.

In-situ-Erhebung der Schädigung von Fischen beim Durchgang großer Kaplan-Turbinen
© Springer Vieweg | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH (9/2025)
Schädigungen der heimischen Fischarten Aitel, Nase und Äsche bei der Turbinenpassage wurde mittels HI-Z-Tags an zwei mittelgroßen Laufkraftwerken untersucht. Bei juvenilen Fischen wurden Überlebensraten (48 h) zwischen 87 % und 94 % gefunden, bei den adulten Fischen zwischen 75 % und 90 %. Die geringeren Schädigungen am Murkraftwerk im Vergleich zum Draukraftwerk können plausibel durch eine geringere Zahl an Turbinenflügeln (vier statt fünf), eine geringere Fallhöhe und eine etwas langsamer laufende Turbine erklärt werden.