Angesichts der weitreichenden Verfehlung des zentralen Ziels der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) eines guten Zustandes aller Gewässer bis 2027 bekommt die Ausnahmebestimmung in Art. 4.5 eine große praktische Bedeutung. Demnach darf das Ziel insbesondere dann abgesenkt werden, wenn dessen Erreichung unverhältnismäßig teuer wäre. Es werden die Ergebnisse eines Praxistests zweier Verfahren zur standardisierten Beurteilung der Kostenverhältnismäßigkeit mit empirischen Daten eines Bundeslandes dargestellt. Der Test fällt insgesamt positiv aus, zeigt aber auch Anwendungsgrenzen.
Mit der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) haben sich die EUMitgliedsstaaten im Jahr 2000 auf ambitionierte Gewässerqualitätsziele verpflichtet, die umfangreiche ökologische und chemische Verbesserungen erfordern und regulär bis Ende 2015 umzusetzen waren (Art. 4 Abs. 1-3 WRRL/§§ 27 & 28 WHG). Allerdings wird den Mitgliedstaaten in Art. 4 Abs. 4 die Möglichkeit eingeräumt, die Zielfrist für einzelne Wasserkörper bis maximal zu Ende des dritten Bewirtschaftungszyklus 2027 zu verlängern. Überdies erlaubt es die WRRL, 'weniger strenge Ziele' festzulegen, sofern das Erreichen der Regelziele 'praktisch unmöglich' oder 'unverhältnismäßig teuer' wäre (Art. 4 Abs. 5/§ 30 WHG). Seit ihrem Inkrafttreten sind erhebliche Anstrengungen unternommen worden, die Gewässerqualitätsziele der WRRL zu erreichen. Gleichwohl zeichnet sich ab, dass die regulären Gewässerqualitätsziele auch am Ende des dritten Bewirtschaftungszyklus für eine Vielzahl von Wasserkörpern verfehlt werden. Derzeit sind nur 8,2 % der Oberflächenwasserkörper in einem guten ökologischen Zustand bzw. guten ökologischem Potenzial [1] und im Bewirtschaftungsplan Elbe wird beispielsweise prognostiziert, dass nur für 5 % aller Fließgewässerkörper, für 11 % der Seen und für kein Küsten- oder Übergangsgewässer ein guter ökologischer Zustand bzw. ein gutes ökologisches Potenzial wahrscheinlich sind [2]. Es ist daher davon auszugehen, dass für den dritten Zyklus von 2021 bis 2027 für sehr viele Wasserkörpern geprüft werden muss, ob die Kosten der Maßnahmen zur Verbesserung des Gewässerzustands unverhältnismäßig teuer sind und die Zielvorgaben entsprechend abgesenkt werden dürfen. Praktische Unmöglichkeit ist nämlich nur dann anzunehmen, wenn keine technisch realisierbare Möglichkeit zur vollen Zielerreichung bis Ende 2027 ersichtlich ist. Die Prüfung der Kostenunverhältnismäßigkeit erfordert wiederum eine möglichst genaue Schätzung der Kosten und eine Bewertung der Verhältnismäßigkeit anhand nachvollziehbarer, mit den gesetzlichen Maßstäben vereinbarer Verfahren. Im Auftrag der LAWA wurden unter Federführung bzw. Beteiligung der Autorinnen und Autoren zwei alternative Verfahren zur Beurteilung der Aufwandsunverhältnismäßigkeit bei Oberflächenwasserkörpern im Sinne von § 30 WHG bzw. Art. 4 Abs. 5 WRRL entwickelt [3], [4], [5]. In einem Folgeauftrag der LAWA, dessen Ergebnisse in diesem Artikel dargestellt werden, ging es nun darum, diese Verfahren in Fallstudien praktisch zu testen, um herauszufinden, welche Ergebnisse sie hervorbringen, welche Sensitivitäten sie aufweisen und ob sie mit vertretbarem Aufwand mit den verfügbaren Daten eingesetzt werden können. Im Folgenden sollen zunächst die beiden Verfahren zur Beurteilung der Aufwandsunverhältnismäßigkeit, der sogenannte Durchschnittskostenansatz zum einen und der BenchmarkAnsatz zum anderen, noch einmal kurz vorgestellt werden, um dann von der praktischen Anwendung der Verfahren in einem Bundesland zu berichten (Abschnitt 2). Es werden auch Varianten der Verfahren und die Sensitivität der Ergebnisse auf die Veränderungen gewisser Parameter untersucht (Abschnitt 3). Schließlich werden die Ergebnisse des Praxistests reflektiert und die Beschränkungen der Ansätze diskutiert (Abschnitt 4).
Copyright: | © Springer Vieweg | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH |
Quelle: | Wasserwirtschaft - Heft 04 - 2019 (April 2019) |
Seiten: | 6 |
Preis: | € 10,90 |
Autor: | Dr. Bernd Klauer Dr. Johannes Schiller Dr. Moritz Reese Dr. Katja Sigel M.Sc. Juliane Renno |
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