Einsteins Logik: Editorial
Mit dem vorliegenden Heft beschließen wir ein Jahr, das für die Umwelt- und Entsorgungsbranche besonders ereignisreich war. Viele interessante Lösungsansätze gab es vor allem auf der IFAT; aber einige Umweltprobleme werden uns auch im Jahr 2019 begleiten. Dabei ist es nicht so, dass sie als Problem nicht erkannt wären; es fehlt schlicht an Lösungen.
(20.11.2018) Gerne bemühe ich da den Physiker und Querdenker Albert Einstein, der zu vielen Dingen seine ganz eigene Meinung hatte: 'Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.' Diese Sicht gilt auch für zwei Herausforderungen, die die Öffentlichkeit, die Fachwelt und natürlich die Politik in diesen Wochen bewegen: das Thema Luftverunreinigung in Ballungszentren und das Thema Umweltverschmutzung durch Plastik. Letzteres haben wir in mehreren Ausgaben des ENTSORGA-Magazins eingehend dargestellt und kommentiert.
Auch die Ihnen vorliegende Ausgabe kommt am Plastik nicht vorbei, zumal die EU eine Entscheidung getroffen hat, die ordentlich Wellen geschlagen hat. Bei den Kunststofferzeugern hat sie zu allerhand Kritik und Widersprüchen geführt: Endlich wurde eine Entscheidung gefällt, die den Unsinn des Einweggeschirrs beenden soll. Schade eigentlich, denn bei so mancher Gelegenheit waren Einwegbecher und Plastikbesteck ja ganz praktisch. Aber wie so oft macht die Menge das Problem. Landschaften werden durch immer mehr Plastik verunstaltet, die Pfandpflicht scheint es beim Anblick der vermüllten Autobahnausfahrten nicht zu geben, auf den Äckern und in Gletschergebieten der Skigebiete gammeln Folienfetzen vor sich hin und letztlich landet alles in Flüssen und Meeren, die als Auffangbecken für Produkte unserer zivilisatorischen Fehlplanung und unseres Fehlverhaltens herhalten müssen.
Es überrascht nicht wirklich, dass Wissenschaftler Mikroplastik bereits im menschlichen Stuhl gefunden haben. 'Sch...' könnte man hier kommentieren, aber der Fluch greift zu kurz. Was geschieht, wenn die ersten Wissenschaftler den schädlichen Einfluss von PP (Polypropylen) und PET (Polyethylenterephthalat) auf die menschliche Gesundheit nachweisen? Das kommende EU-Verbot ist richtig. Aber es wird die Ausbreitung von Littering und Mikroplastik nicht aufhalten. Der Ruf nach einem besseren Sammel- und Recyclingsystem wird nicht zum Ziel führen, da wir bei der Problemlösung in derselben Denkweise verhaftet sind, die uns die Schwierigkeiten eingebrockt hat - siehe Albert Einstein.
Müssen wir nicht darüber nachdenken, ob unsere Lebensqualität, die wir ja gerne behalten wollen, unbedingt auf Plastik beruhen muss? Gestatten wir uns die provokante Frage: Brauchen wir jede Verpackung und muss die aus Kunststoff sein? Was wir brauchen, ist eine andere Denkweise. Im ersten Schritt sind Verbote sicherlich erfolgversprechend, wie das Beispiel Ruanda eindrucksvoll zeigt. Aber es kann und wird nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Querdenker sind gefragt. Einstein können wir dazu nicht mehr befragen; er würde vielleicht das äußern, was er zu Lebzeiten auch gerne gesagt hat: 'Wenn ich eine Stunde habe, um ein Problem zu lösen, dann beschäftige ich mich 55 Minuten mit dem Problem und 5 Minuten mit der Lösung.' Statt übereifrig Lösungen zu diskutieren, Gesetze zu erlassen und nur die Recyclingtechnik zu optimieren, sollten wir vielleicht das Problem, um das es geht, ausführlicher betrachten, seine Ursachen, Hintergründe, und Konsequenzen.
Manchmal ergeben sich die Lösungen dann ganz von alleine. In diesem Sinne wünschen Verlag und Redaktion Ihnen, liebe Leserinnen und Leser unseres ENTSORGA-Magazins, ein sorgenfreies, gesegnetes Weihnachtsfest; bleiben Sie gesund und halten Sie uns auch 2019 weiterhin die Treue!
Herzlichst
Ihr Martin Boeckh - Redaktionsleitung ENTSORGA-Magazin
Foto: B. Weidlich