Editorial: Engagement ohne Illusionen
Vor Ihnen liegt die erste Ausgabe des ENTSORGA-Magazins 2018. Das Jahr ist bereits einige Monate fortgeschritten, und es wird Zeit, die Ärmel hochzukrempeln. Auch unsere neue Bundesregierung wird das tun, glaubt man den vielversprechenden Äußerungen der neuen Bundesminister.
(26.03.2018) Für unsere Branche besonders relevant ist die Besetzung des Bundesumweltministeriums.
Diese Behörde wird ab sofort von Svenja Schulze geleitet. Sie wird unterstützt von den Staatssekretären Jochen Flasbarth und Gunther Adler sowie den Parlamentarischen Staatssekretären Rita Schwarzelühr-Sutter und Florian Pronold. Wir wünschen Frau Schulze eine glückliche Hand und ausreichend Stehvermögen, wenn es darum geht, den Umweltschutz wirkungsvoll zu vertreten. Sie wird ein gut vorbereitetes Feld politischer Entscheidungen vorfinden, das ihr Dr. Barbara Hendricks hinterlassen hat. Selten wurden in einer Legislaturperiode derart viele und grundlegende umweltpolitische Entscheidungen getroffen wie in der zurückliegenden.
Auch die Unternehmen der Umweltwirtschaft sind in diesen Monaten besonders gefordert. Sie arbeiten bereits mit Hochdruck. Einerseits geht es darum, sich den neuen Rahmenbedingungen (Klärschlammverordnung, Verpackungsgesetz, Gewerbeabfallverordnung usw.) anzupassen; andererseits gilt es, die Messeauftritte dieses Jahres vorzubereiten.
Zwei wichtige Dinge sind hier zu vermelden: Mit der terratec in Leipzig ist, wie gerade bekannt gegeben wurde, eine der größten und traditionsreichsten Messen von der Bildfläche verschwunden. Die wirtschaftliche Basis und Perspektive waren wohl nicht mehr gegeben. Das ist außerordentlich bedauerlich, denn auch unsere Branche lebt von der belebenden Konkurrenz. Positiv sind dagegen die vielen Signale, die im Vorfeld der IFAT zu vernehmen sind. Mit zwei neuen Messehallen wird das Themen- und Ausstellerspektrum noch vielseitiger werden. Schon in dieser Ausgabe berichten wir von einigen Neuigkeiten.
Eines der beherrschenden Themen - natürlich auch in der nächsten ENTSORGA-Messeausgabe - wird der Umgang mit Plastik sein. Auch wenn die Hersteller lieber von ‚Kunststoffen’ reden, so ist das, was zu tausenden Tonnen die Meere belastet und die Straßenränder verschmutzt, nichts als übles Plastik, das dort nichts verloren hat. Die Strategien gegen diese Form des Littering sind schwierig. Patentlösungen gibt es nicht. Auch die Plastiktüten-Gebühr wird das Problem zumindest in Europa kaum lösen können. Helfen möglicherweise biologisch abbaubare Verpackungen und Einwegprodukte? 'Reine Illusion' meint Branchenkenner Dr.-Ing. Heinz-Ulrich Bertram. 'Die Kompostierung von Verpackungen und Einwegprodukten aus biologisch abbaubaren Wertstoffen stellt keinen geeigneten Weg der Entsorgung für derartige Abfälle dar.' Fundierte Berechnungen sagen ganz klar: Biologisch abbaubare Kunststoffe gehören in die Verbrennung, denn dort können sie sinnvoll energetisch genutzt werden. Und die Bundesgütegemeinschaft Kompost e.V. sagt ganz klar: 'Die Kompostierung von Biokunststoffen ist und bleibt ein Irrweg.' Schade eigentlich, aber so richtig daran geglaubt haben Fachleute irgendwie auch nicht, dass das Littering-Problem mit Biokunststoffen gelöst werden könnte. Woran die Industrie aber arbeiten muss, und daran führt kein Weg vorbei, ist die Entwicklung von Kunststoffprodukten, die ein ökonomisches Recycling überhaupt erst möglich machen. Ständig neue Rezepturen und immer mehr Verbundwerkstoffe sind der falsche Weg. Und auch das Thema Carbonfasern, dem wir uns in diesem Heft ebenfalls widmen, wirft inzwischen viele Fragen auf. Recycling ist und bleibt spannend.
Autor: Martin Boeckh, ENTSORGA-Magazin
Foto: B. Weidlich