Editorial: Ungenutzte Chance
Wir haben an dieser Stelle schon häufig ein Umfrageergebnis des Umweltbundesamtes zitiert, demzufolge die Mülltrennung des Bundesbürgers vornehmlichste Aufgabe ist, wenn es um die Frage des Umweltschutzes geht. Es ist nicht der Verzicht auf das Auto, es ist nicht die Einschränkung beim Fleischkonsum aus Massentierhaltung, und es ist schon gar nicht der Verzicht auf den Kurztrip mit dem Billigflieger. Jeder trennt einen Müll - und fühlt sich gut dabei. Dabei gibt es jede Menge Unsinnigkeiten und Widersprüche, vor allem wenn es um den gelben Sack geht und welche Inhalte davon tatsächlich recycelt werden.
(06.11.2017) Doch davon soll an dieser Stelle und als Schwerpunktthema in diesem Heft gar nicht die Rede sein. In der letzten Ausgabe des Jahres geht es um Biomüll - und was wir daraus machen. Die Entsorgungswirtschaft leistet hier Erstaunliches. Die Kreise und Kommunen, die auf alten Mülldeponien Energieparks errichtet haben, tun mehr für die Ressourcenwirtschaft und den Klimaschutz als viele andere, die sich darum streiten, ob das Sahnedöschen nun richtig recycelt wird oder nicht, ob es verbrannt wird oder doch besser zu Recyclingkunststoff aufbereitet wird. In den Energieparks wird aus Biomüll in all seinen Facetten wertvoller Dünger, werden Phosphor und andere Nährstoffe im Kreis geführt, wird Methan erzeugt, und aus diesem Strom, Wärme, Bioerdgas für das Versorgungsnetz und sogar flüssiger Treibstoff - eine vielversprechende Perspektive gerade in der gegenwärtigen Dieselabgas-Diskussion.
Doch beim Biomüll liegt eine Menge im Argen. Wenn man eine Biomüll-Anlage besucht (die Betreiber sind hier ganz offen und laden immer wieder zur Besichtigung ein), dann schlagen einem hier nicht nur ganz besondere Gerüche entgegen. Was geradezu sprichwörtlich zum Himmel stinkt, ist die Zusammensetzung des Biomülls. Hier endet offensichtlich die eingangs zitierte Mülltrenn-Vorliebe des Bundesbürgers. Was sich aus den Sammelfahrzeugen in die Müllbunker wälzt, sind Plastiktüten, Pappschachteln und immer wieder Restmüll, der im Biomüll überhaupt nichts zu suchen hat. Die Betreiber der Biomüllanlagen müssen Millionenbeträge aufwenden, um das in Ordnung zu bringen, was die Privathaushalte verbockt haben. Hier wird aufwändig gesiebt, geschüttelt und gerührt, mit Nahinfrarot bestrahlt und mit Röntgenstrahlung durchleuchtet. All das wäre überflüssig, würde nur das in die braune Tonne geworfen, was dort auch hineingehört.
Apropos braune Tonne: Wer hier vorschnell nur die gedankenlose Hausfrau bzw. den gedankenlosen Hausmann verurteilt, vergisst, dass es auch die Gebietskörperschaften sind, die seit drei Jahren geltendes Recht brechen und die Vorgaben des Kreislaufwirtschaftsgesetzes ignorieren. Jeder fünfte Landkreis in Deutschland bietet kein oder ein nur mangelhaftes Trennsystem für Bioabfälle an, errechnete der Naturschutzbund (NABU). Dabei ist bislang kein stichhaltiges Gegenargument bekannt. Die meisten Kommunen haben seit Jahren erkannt, welche Chancen eine flächendeckende Biomüllsammlung hat. Der ökologische Mehrwert überwiegt bei Weitem die Kosten. Und wenn die Rechnung in manch ländlicher Gegend nicht ganz so positiv zugunsten der Biotonne ausfallen mag, so gilt es doch, das große Ganze im Auge zu behalten.
Zu einer Kreislaufwirtschaft gibt es keine Alternative - weder auf lokaler, noch auf Kreis- noch auf nationaler Ebene. Mit dieser trivialen Erkenntnis wünschen wir, Verlag und Redaktion des ENTSORGA-Magazins, allen Leserinnen und Lesern eine nicht allzu hektische Vorweihnachtszeit, ein gesegnetes Fest, sowie für das kommende IFAT-Jahr die Erfüllung der meisten Erwartungen.
Martin Boeckh
Redaktionsleitung ENTSORGA-Magazin
Fotohinweis: B.Weidlich