Zuständigkeitsübertragung als Option zur vergaberechtssicheren Neuorganisation der Abfallwirtschaft

Um die kommunale Abfallentsorgung effizient zu gestalten, sind Kooperationen zwischen Gebietskörperschaften und häufig auch die Auslagerung von Tätigkeiten auf andere juristische Personen des öffentlichen Rechts notwendig. Daher spielen in der Abfallwirtschaft die vergaberechtlichen
Ausnahmen zur öffentlich-öffentlichen Zusammenarbeit eine besondere Rolle.

Vor der Novellierung des Vergaberechts entwickelte der EuGH in seiner Rechtsprechung - ausgehend von den Urteilen 'Teckal' und 'Stadtreinigung Hamburg' - zwei grundlegende Konstellationen der öffentlich-öffentlichen Zusammenarbeit, in denen keine Ausschreibungspflicht besteht. Zum einen sind dies die sogenannten 'In-House-Vergaben', also Aufträge an verbundene juristische Personen, die im Wesentlichen nur für den Auftraggeber tätig werden. Zum anderen entschied der EuGH, dass auch interkommunale Kooperationen zwischen verschiedenen, nicht verbundenen öffentlichen Auftraggebern unter bestimmten Voraussetzungen nicht dem Vergaberecht unterfallen (sogenannte 'In-State-Vergaben'). Beide Fallgruppen fanden im Rahmen der Novellierung des Vergaberechts Eingang in Art. 12 der Richtlinie 2014/24/EU sowie auch in § 108 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB).

Daneben ist auch die Übertragung von Zuständigkeiten - im Sinne einer Neuaufteilung staatlicher Kompetenzen - grundsätzlich vergaberechtsfrei. Bereits im Grünbuch der Europäischen Kommission über die Modernisierung der europäischen Politik im Bereich des öffentlichen Auftragswesens vom 27.1.2011 findet sich der Gedanke, dass die vollständige Übertragung einer öffentlichen Aufgabe von einer Behörde auf eine andere nicht in den Anwendungsbereich des Vergaberechts fällt. Dies gilt nach der dort niedergelegten Auffassung der Kommission jedoch nur, sofern die Zuständigkeit als solche insgesamt übertragen und der Auftragnehmer nicht nur mit der bloßen Erfüllung der Aufgabe betraut werde. Die schließlich in Art. 1 Abs. 6 der Richtlinie 2014/24/EU aufgenommene Regelung zur Übertragung von Befugnissen und Zuständigkeiten setzt dem gegenüber voraus, dass die Leistungen in diesem Zusammenhang ohne Vergütung erfolgen. In einem solchen Fall handele es sich um eine interne staatliche Organisationsmaßnahme außerhalb des Anwendungsbereichs des Vergaberechts. Im direkten Vergleich zu den detailliert geregelten Ausnahmetatbeständen in § 108 GWB sind die Voraussetzungen eines vergaberechtsfreien Zuständigkeitstransfers damit eher unkonturiert geblieben. Mit seinem aktuellen Urteil in der Rechtssache 'Remondis' hat der EuGH nun jedoch genauere Kriterien aufgestellt, um zu beurteilen, ob ein Zuständigkeitstransfer vorliegt.



Copyright: © Lexxion Verlagsgesellschaft mbH
Quelle: Heft 03 - 2017 (Mai 2017)
Seiten: 7
Preis: € 32,00
Autor: RA Wolfgang Siederer
Rechtsanwalt Linus Viezens
 
 Diesen Fachartikel kaufen...
(nach Kauf erscheint Ihr Warenkorb oben links)
 Artikel weiterempfehlen
 Artikel nach Login kommentieren


Login

ASK - Unser Kooperationspartner
 
 


Unsere content-Partner
zum aktuellen Verzeichnis



Unsere 3 aktuellsten Fachartikel

Hygienisierung und Trocknung von Gärresten - Erfahrungen mit dem Herhof-Belüftungssystem
© Witzenhausen-Institut für Abfall, Umwelt und Energie GmbH (11/2025)
Die Herstellung von Qualitätskomposten aus Bioabfallgärresten stellt herkömmliche Kompostierungssysteme vor große Herausforderungen. Je nach Vergärungssystem müssen Hygienisierungsnachweise nach Bioabfallverordnung oder deutliche Veränderungen im Trockensubstanzgehalt zusätzlich zum organischen Abbau erzielt und nachgewiesen werden. Erfahrungen im Bereich Bioabfallkompostierung oder biologischer Trocknung von Restabfall fließen in die Umsetzung der Gärrestbehandlungssysteme mit ein. Anhand der kombinierten Vergärungs- und Kompostierungsanlagen in Cröbern und Bernburg werden die Ergebnisse und die Grenzen des Herhof-Belüftungssystems speziell im Hinblick auf Hygienisierung nach Bioabfallverordnung und Trocknung für die Kompostaufbereitung dargestellt.

Der Weg vom Gärrest zum Qualitätskompost - Erfahrungen in umgesetzten Anlagen
© Witzenhausen-Institut für Abfall, Umwelt und Energie GmbH (11/2025)
Die Erzeugung eines hochwertigen Qualitätskomposts ist vielfach ein Schlüssel zum wirtschaftlichen Erfolg einer Bioabfallbehandlungsanlage. Da jedoch die meisten Bioabfälle bei der Anlieferung in einer Behandlungsanlage immer noch einen sehr hohen Fremdstoff- und Verunreinigungsanteil aufweisen, ist neben einer effizienten biologischen Behandlung - in einer Kaskadennutzung bei hohem Biogasertrag und guter Aerobisierung und Nachrotte der Gärreste - die Abscheidung der Störstoffe in einer Kompostfeinaufbereitung der Schlüssel zu einem vermarktbaren Qualitätskompost.

TGV - Thöni Gärrestverwertung: Kompostierungstechnologie zur Behandlung von Gärresten
© Witzenhausen-Institut für Abfall, Umwelt und Energie GmbH (11/2025)
Die TGV - Thöni Gärrestverwertung behandelt Gärreste aus Vergärungsanlagen und verarbeitet sie zu hochwertigem Kompost. Das System schließt die Lücke zwischen anaerober Vor- und aerober Nachbehandlung. Durch eine eigene Technologie werden Schnittstellen reduziert und Planung sowie Ausführung aus einer Hand ermöglicht.