Editorial: Sie sind überall
Die Verwendung von Asbest ist seit 1993 verboten - zumindest in Deutschland. Seit 2003 gilt ein EU-weites Verbot. Das war viel zu spät und geschah gegen den Widerstand der Baustoffindustrie. Nun muss ein Großgebäude nach dem anderen unter hohen Sicherheitsvorkehrungen von den kanzerogenen Fasern befreit werden.
(18.04.2017) Die Zahl der Sanierungsprojekte wächst ständig und eine ganze Branche hat sich auf Analytik und Sanierung asbestbelasteter Gebäude spezialisiert. Das ENTSORGA-Magazin widmet sich dem Thema immer wieder; auch in dieser Ausgabe. Denn das Elend nimmt kein Ende. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin warnte im vergangenen Jahr, dass noch immer vermutlich 80 Prozent der ursprünglich verwendeten asbesthaltigen Bauteile im heutigen Gebäudebestand vorhanden sind. Und die Stiftung Warentest listete kürzlich akribisch auf, wo überall die heimtückische Faser zu finden ist - von PVC-Böden und Wandplatten über Blumentöpfe, Spritzputz, Fassadenplatten, Schweißpappen, Isolation usw. bis hin zu Spachtelmassen und Fliesenklebern. Die Gruppe der Letztgenannten hat es in der Tat in sich. Üblicherweise sind stark gebundene Asbestfasern wie in Eternit-Fassadenplatten so lange unkritisch, wie das Material nicht zerbrochen, durchbohrt oder abgeschliffen wird. Das dürfte mittlerweile jeder Kleingärtner wissen. Doch über die Gefährdung durch bauchemische Produkte weiß kaum jemand etwas. Der Gesamtverband Schadstoffsanierung (GVSS) schätzt, dass rund ein Viertel bis ein Drittel aller Gebäude, die vor 1995 errichtet wurden, von einem Asbestproblem betroffen sind.
Über Probleme durch nicht erkannte asbesthaltige Materialien im Gebäudebestand diskutierten im Juni letzten Jahres 170 Experten. Ihr Fazit fiel alles andere als ermutigend aus: 'Nach dem Asbestverbot von 1993 und den Anstrengungen der Folgejahre, die offensichtlichsten Gefährdungen durch Asbest zu beseitigen, müssen wir nun erkennen, dass viele Fragen noch unbeantwortet und wichtige Aufgaben noch unerledigt sind...
Autorenhinweis: Martin Boeckh, Redaktionsleitung ENTSORGA-Magazin
Foto: B.Weidlich
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