Durch die gewerbliche Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte sowie deren Nutzung durch den Verbraucher fallen große Mengen von organisch belasteten Abwässern an. Grundsätzlich ist für industrielle und gewerbliche Abwässer eine weitgehende Kohlenstoffentfernung und Nitrifikation gesetzlich vorgeschrieben. Deshalb werden die organisch belasteten gewerblichen und industriellen Abwässer i.d.R. direkt in betrieblichen (Direkteinleiter) oder in kommunalen Kläranlagen (Indirekteinleiter) kostenintensiv behandelt. Hohe Investitionskosten zentraler Großanlagen sowie die ökologische Notwendigkeit, kleinere Abwassermengen speziell zu behandeln, führen zudem in zunehmendem Maße zum Einsatz von dezentralen Kläranlagen. Daher entscheiden sich immer mehr Kommunen, gewerbliche und landwirtschaftliche Betriebe für eine dezentrale Abwasserbehandlung.
Das an der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) entwickelte FLEXBIO-Verfahren für den flexiblen Ansatz zur anaeroben Abwasservorbehandlung hat sich in Pilotuntersuchungen im Rahmen von Forschungsprojekten als sehr leistungsfähig erwiesen. Die Untersuchungen haben ergeben, dass die organische Fracht des Abwassers innerhalb von wenigen Stunden über 95 % reduziert werden kann. Die organische Fracht wird mit dem Verfahren primär in Biogas umgewandelt und kann so energetisch genutzt werden. Das FLEXBIO-Verfahren arbeitet mit einem modifizierten Festbettreaktor (Hochleistungsreaktor) als zentrale Einheit und zeichnet sich insbesondere durch die kompakte und robuste Bauweise sowie geringe Betriebskosten aus.
Die Innovation des Verfahrens ist jedoch nicht nur in der Leistungsfähigkeit und der Biogasgewinnung zu sehen, sondern auch in einem geringen Prozessenergiebedarf und einem reduzierten Klärschlammanfall im Vergleich zu den momentan vor allem angewendeten aeroben Verfahren. Die Voruntersuchungen und ein Kostenvergleich unterschiedlicher Entsorgungssysteme bzw. Reinigungsverfahren haben die Stärke des FLEXBIO-Verfahrens aufgezeigt: die spezifischen Abwasserbehandlungskosten lassen sich bedeutend reduzieren. Das FLEXBIO-Verfahren ermöglicht eine Reinigung und Aufbereitung kommunaler und industrieller Abwässer entsprechend den gesetzlichen Anforderungen.
Die Untersuchungen mit dem Festbettreaktor zeigen, dass beim Einsatz von organisch belasteten Abwässern ein spontanes Anfahren bzw. Unterbrechen der Biogasproduktion möglich ist. Durch diese Flexibilität und Unempfindlichkeit gegenüber schwankenden Belastungen eignet sich das FLEXBIO-Verfahren für den Einsatz in den Bereichen, in denen die wirtschaftlichste Art der Abwasserentsorgung bisher lediglich über die kommunalen Entsorger (Kläranlagen) realisiert werden konnte.
Eine weitere Innovation stellt die Behandlungstemperatur dar. Die Anreicherung bzw. Rückhaltung der syntrophen Lebensgemeinschaften im Festbett ermöglichen eine effektive Vergärung auch bei relativ niedrigen Temperaturen (psychrophil: < 25 °C), da eine deutlich verlangsamte Neubildung der Mikroorganismen nahezu keinen negativen Einfluss auf die Abbauleistung hat.
Copyright: | © HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst - Fakultät Ressourcenmanagement |
Quelle: | 75. Symposium 2014 (Oktober 2014) |
Seiten: | 19 |
Preis: | € 0,00 |
Autor: | M.Eng. Waldemar Ganagin Prof. Dr.-Ing. Achim Loewen Prof. Dr. Michael Nelles |
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