Editorial: Ruf nach dem Staat
(28.04.2014) Die Nachricht dürfte allgemein überrascht haben. Als die Bundesregierung den jüngsten Kabinettsbeschluss zur Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes bekannt gab, frohlockten die betroffenen Industrieunternehmen und freuten sich über den Erhalt der EEG-Befreiung. Es werden künftig zwar keine 2000 Unternehmen, aber doch rund 1600 von insgesamt 45.000 sein, die sich einer EEG-Ermäßigung oder Befreiung erfreuen dürfen. Und Bundeswirtschaftsminister Gabriel stellte die Mehrbelastungen der Bürger den erhaltenen Arbeitsplätzen gegenüber. Legte man die etwa fünf Milliarden Euro entsprechend um, müsste ein Drei-Personen-Haushalt rund 40 Euro jährlich mehr bezahlen. Wenn dadurch, wie versprochen, Hunderttausende von Arbeitsplätzen erhalten blieben, wäre das in Ordnung. Aber in Europa konkurrenzfähige Energiepreise zu bekommen wollen, ist das eine. Aber sind wir nicht schon allzu oft hinters Licht geführt worden? Wie viele Unternehmen haben sich in der Vergangenheit wegen angeblich zu hoher Personalnebenkosten Subventionen erschlichen und haben dann doch ihren Produktionsstandort ins Ausland verlegt?
Wir brauchen Arbeitsplätze. In Deutschland. Aber wir brauchen auch Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit bei den Subventionen. Warum ein Glashersteller? Warum ein regionales Nahverkehrsunternehmen? Warum ein Kieswerk? Die Liste ist endlos. Der Bürger versteht das nicht. Dabei wäre er durchaus bereit, höhere Kosten zu tolerieren: Mit 57 Prozent spricht sich eine Mehrheit der Deutschen dafür aus, dass beim Ausbau der erneuerbaren Energien stärker aufs Tempo gedrückt wird, so das Ergebnis des ZDF-Politbarometers Mitte April. Fast ebenso viele der Befragten haben kein Verständnis dafür, dass die staatliche Unterstützung für neue Anlagen zur Erzeugung von Strom aus regenerativen Quellen gekürzt werden soll.
Und der Bürger möchte, dass es endlich auch in anderen Umweltfragen voran geht. Leider gibt es hier keine entsprechende Umfrage, außer vielleicht der, dass fast jeder Deutsche die Mülltrennung als seinen wichtigsten Beitrag zum Umweltschutz sieht. Das war noch vor einigen Jahren. Inzwischen, so die neueste Zahl auf der Berliner Wertstoffkonferenz, hat sich das Blatt gewendet. Die Trennquote beim Hausmüll ist massiv in den Keller gegangen. Der Bürger ist 'trennmüde' geworden. Er ist frustriert ob der unverständlichen Diskussion um die Vorherrschaft auf dem Wertstoffmarkt, er ist enttäuscht, dass gerade mal 20 Prozent seiner Verpackungskunststoffe tatsächlich wieder in Plastik-Produkten landen und das meiste letztlich doch verbrannt wird. 'Energetische Verwertung' - schöner kann man das nicht umschreiben. Bei 30 Euro Verbrennungspreis pro Tonne und zunehmenden Überkapazitäten wachsen die Verlockungen und sinken die Anreize für ein sinnvolles (Kunststoff-)Rezykling. Entsorger-Verbände fordern gar wieder staatliche Lenkungsabgaben für die Verbrennung, um den Markt zu ordnen. Ob das der richtige Weg ist? Soll man nicht besser alles dem Spiel der Marktkräfte überlassen? Komplexe Probleme haben nur selten einfache Lösungen. Vielleicht wird ja mit dem Wertstoffgesetz, das uns für den Herbst versprochen wird, alles besser. Man darf gespannt sein. Diskussionsstoff für die IFAT haben wir genug. Die weltgrößte Umweltmesse erfreut sich auch in diesem Jahr wieder einer Rekordbeteiligung. Zahlreiche Diskussionsforen, Kongresse und Symposien laden eine Woche lang dazu ein, sich ein fundiertes Bild der umweltpolitischen Entwicklung zu machen. Und natürlich über die neues Trends und Techniken der gesamten Umweltbranche.
Diskutieren Sie mit und besuchen Sie uns auf unserem neuen Messestand 244A in Halle B1. Wir freuen uns.
Autorenhinweis: Martin Boeckh, Redaktionsleitung ENTSORGA-Magazin
Foto: privat
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