Die europäische Abfallverbringungsverordnung im Spannungsfeld rohstoff- und umweltpolitischer Ansprüche

Die potenziellen Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt durch den Transport von Abfällen werden in Europa seit den 1970er-Jahren intensiv diskutiert. Ausgelöst wurde diese Diskussion durch mehrere Fälle, in denen gefährliche Abfälle aus Industrieanlagen wegen fehlender Behandlungsinfrastrukturen sowie hoher Entsorgungskosten illegal in Drittstaaten verbracht und dort unbehandelt abgelagert wurden. Als Reaktion auf diese Entwicklung wurde im Jahr 1989 mit dem Basler Übereinkommen und im Jahr 1993 mit dessen Umsetzung und Ergänzung in der europäischen Verordnung über die Verbringung von Abfällen (VVA) ein Rechtsrahmen geschaffen, der die internationale sowie innereuropäische Verbringung von Abfällen regelt. Das Hauptkriterium für die Zulässigkeit einer grenzüberschreitenden Abfallverbringung ist seither das Gefahrenpotenzial der Abfälle. So ist die Verbringung von gefährlichen Abfällen, wozu beispielweise fast alle Elektro- und Elektronikaltgeräte (sog. E-Schrott) zählen, in Drittstaaten außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) weitestgehend untersagt. Hingegen ist der grenzüberschreitende globale Transport von nicht-gefährlichen Abfällen zur Verwertung, wie z. B. sortiertem Altpapier, Kunststoffen oder Stahlschrott, prinzipiell gestattet.

Einhergehend mit einer zunehmend globalisierten Ökonomie mit veränderten Produkt- und Abfallströmen haben sich innerhalb der letzten Jahre auch die politischen Zielsetzungen verändert, die an die Abfallwirtschaft gerichtet sind. Abfallwirtschaftliche Maßnahmen sollen danach nicht nur durch eine umweltverträgliche Behandlung das Gefahrenpotenzial von Abfällen minimieren, sondern zudem die produzierende Industrie weltweit mit qualitativ hochwertigen Sekundärrohstoffen versorgen. Die EU sieht sich daher mit der Herausforderung konfrontiert, einerseits den Im- und Export von nicht-gefährlichen Abfällen zu ermöglichen, um diese als Sekundärrohstoffe für Produktionsprozessedort zur Verfügung zu stellen, wo sie benötigt werden. Andererseits hat sie dafür Sorge zu tragen, dass insbesondere illegale Abfallverbringungen von gefährlichen Abfällen unterbunden werden, um die menschliche Gesundheit sowie die Umwelt in den Durchfuhr- und Bestimmungsstaaten von Abfalltransporten zu schützen.

Dass die Bewältigung dieser Herausforderung zukünftig großer Anstrengungen bedarf, zeigt eine Untersuchung des europäischen Netzwerks zur Implementierung und Durchsetzung des Umweltrechts (IMPEL). Danach erfolgen EU-weit bis zu 25 % aller grenzüberschreitenden Abfallverbringungen nicht im Einklang mit europäischem Recht, u. a. verlassen jährlich ca. 13 % bis 20 % der in der EU anfallenden Elektro- und Elektronikaltgeräte (gefährlicher Abfall) illegal die Union. Sie werden zum Großteil unter dem Deckmantel der Wiederverwendbarkeit nach Westafrika und Asien verschifft und dort häufig ohne die Einhaltung ausreichender Umwelt- und Gesundheitsstandards - etwa unter Einsatz von gefährlichen Chemikalien und offenem Feuer - "verwertet".

Vor diesem Hintergrund soll zunächst ein kurzer Überblick über den internationalen und europäischen Rechtsrahmen der Abfallverbringung (II.) gegeben werden, bevor die Verknüpfung zwischen der Verbringung von nicht-gefährlichen Abfällen und der europäischen Rohstoffpolitik (III.) näher beleuchtet wird. Abschließend (IV.) werden einige Ansätze aufgezeigt, wie das Verbringungsverbot von gefährlichen Abfällen in Drittstaaten außerhalb der EU und OECD besser durchgesetzt werden könnte.



Copyright: © Lexxion Verlagsgesellschaft mbH
Quelle: Heft 05 - 2013 (Oktober 2013)
Seiten: 10
Preis: € 32,00
Autor: Claas Oehlmann
Ulrich Seifert
 
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