'Ernstliche Zweifel' i.S.v. § 4a Abs. 3 UmwRG - Höhere Anforderungen an die Aussetzung der Vollziehung bei wichtigen Infrastrukturprojekten?

In seinem Beschluss vom 16.10.2012 hat das BVerwG den Eilanträgen der Naturschutzverbände NABU und BUND gegen den Planfeststellungsbeschluss zur Elbvertiefung stattgegeben. Nach Prüfung der Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses kommt das BVerwG zu dem Schluss, dass die Erfolgsaussichten in der Hauptsache - auch wegen des Umfangs des Materials - nach summarischer Prüfung offen sind. Auch die 2600 Seiten und siebenjährige Planungsdauer sind kein Indiz für die Rechtmäßigkeit. Trotz des gesetzlich angeordneten Sofortvollzuges und der internationalen Verkehrsbedeutung des Vorhabens kommt das BVerwG aufgrund einer (reinen) Interessenabwägung nach § 80 Abs. 5 VwGO (mit geringfügigen Ausnahmen) zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung für sämtliche Maßnahmen.

In seinen Beschlussgründen vom 16.10.2012 führt das BVerwG aus, dass sich nicht mit der nötigen Sicherheit feststellen lasse, ob die durch den Baubeginn ausgelösten morphologischen Veränderungen und morpho- bzw. hydrodynamischen Auswirkungen 'ohne Weiteres' reversibel sind. Daher trete das Interesse des Vorhabensträgers und der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehbarkeit der Entscheidung hinter das Interesse der Antragsteller am Unterbleiben der Vollzugsmaßnahmen zurück.
Mit ihren Anträgen hatten die Umweltverbände geltend gemacht, dass der Planfeststellungsbeschluss auf falschen Grundannahmen und unzureichenden Berechnungsmodellen hinsichtlich der hydromorphologischen und hydrobzw. morphodynamischen Auswirkungen des Ausbaus beruhe und gegen zwingende Vorschriften des Gewässer-, Gebiets- und Artenschutzes verstoße. Das BVerwG hat diese Anträge gemäß der Rechtsprechung des EuGH in Sachen Trianel für zulässig erachtet, obwohl eine Verletzung Dritter in subjektiv-öffentlichen Rechten nicht geltend gemacht wurde. Das ist zutreffend, da die Verbände nach dem Urteil des EuGH auch vor einer entsprechenden Anpassung des Umweltrechtsbehelfsgesetzes als klagebefugt anzusehen waren.



Copyright: © Lexxion Verlagsgesellschaft mbH
Quelle: Heft 06 - 2012 (Dezember 2012)
Seiten: 4
Preis: € 25,00
Autor: Prof. Dr. Andrea Versteyl
 
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