Die Einführung einer einheitlichen Berliner Wertstofftonne im Lichte des Kartellrechts

Eine Kooperation in Form des Berliner Interpolationsmodells ist zwar verbunden mit einer Gebietsaufteilung, jedoch aufgrund der Freistellungmöglichkeit in § 2 Abs. 1 GWB mit § 1 GWB vereinbar. Zwar wird Restwettbewerb i.S. von § 1 GWB beeinträchtigt. Diese Beeinträchtigung ist aber wegen der erheblichen Rationalisierungseffekte, die ohne eine solche Vereinbarung nicht zu erreichen sind, unerlässlich. Es ist zu erwarten, dass die Kostenvorteile aus dieser Effizienzverbesserung dem Verbraucher jedenfalls teilweise zugutekommen. Wettbewerbsfreundlichere Alternativen sind - nicht zuletzt aufgrund der strukturellen Eigentümlichkeiten des Marktes - nicht ersichtlich. Damit stellt sich das Berliner Modell als praxisorientierte und leistungsfähige Problemlösung im Streit um die Trägerschaft einer einheitlichen Wertstofftonne dar.

Berlin ist neben Leipzig und Hamburg einer der Vorreiter bei der getrennten Sammlung von Wertstoffen. Für die Sammlung von Plastik und Metallgegenständen existierten bisher zwei Erfassungssysteme parallel: die Gelbe Tonneplus eines privaten Entsorgungsunternehmens und die Orange Box des öffentlichen Entsorgungsträgers. Ziel dieser beiden Erfassungssysteme ist, wertvolle Rohstoffe aus Plastik oder Metall, die nicht Verpackungen sind (sogenannte Stoffgleiche Nichtverpackungen, StNVP), ebenfalls einem hochwertigen Recycling zuzuführen. Ab 2013 werden die beiden Berliner Tonnen nun in einer einheitlichen Wertstofftonne zusammengeführt. Damit steigt die Menge der zu erfassenden Wertstoffe erheblich an. Verbraucher können Verpackungsmaterialien und andere mülltonnengängige Gegenstände aus Metall und/oder Kunststoff in einer statt in bisher zwei bis drei Tonnen entsorgen.
Die rechtliche Umsetzung einer solchen einheitlichen Wertstofftonne bewegt sich im Spannungsfeld zwischen den bestehenden Entsorgungszuständigkeiten. Eine einheitliche Abfallentsorgung über die Grenzen bestehender Entsorgungsverantwortlichkeiten hinweg muss neben den Anforderungen an umweltgerechte Entsorgung stets die wirtschaftlichen Interessen der Parteien im Blick haben. Soll eine getrennte Wertstoffsammlung bei Beibehaltung der Entsorgungszuständigkeiten stattfinden, kann dies entweder in einer teuren Doppelung der Sammelinfrastruktur geschehen oder mit dem neuen Berliner Modell der 'Interpolation'. Beide Entsorgungsverantwortlichen können danach gemäß ihrem gesetzlich zugewiesenen Mengenanteil Sammel- und Transportleistungen erbringen. Dieses Modell ist damit ein ernst zu nehmender Kompromiss im bisherigen Streit um die Trägerschaft einer einheitlichen Wertstofftonne. Es kann darüber hinaus auf die gemeinsame Entsorgung von kommunalem und privatem Altpapier übertragen werden. Das Bundeskartellamt hat das Berliner Vorhaben gebilligt. Der folgende Beitrag setzt sich näher mit der kartellrechtlichen Zulässigkeit der Berliner Wertstofftonne auseinander.
Dazu wird zunächst das Berliner Modell als Fusion der beiden vorhandenen Wertstoffsammelsysteme dargestellt (II.). Sodann wird erörtert, welche Kooperationsmöglichkeiten zur gemeinsamen Sammlung das bisherige Recht bereits vorsieht (III.), um anschließend ausführlich die kartellrechtlichen Grenzen des Berliner Kooperationsmodells auszuloten (IV.).



Copyright: © Lexxion Verlagsgesellschaft mbH
Quelle: Heft 05 - 2012 (Oktober 2012)
Seiten: 15
Preis: € 32,00
Autor: Prof. Dr. jur. Dr. rer. pol. Dr. h.c. Franz Jürgen Säcker
Juliane Schmitz
 
 Diesen Fachartikel kaufen...
(nach Kauf erscheint Ihr Warenkorb oben links)
 Artikel weiterempfehlen
 Artikel nach Login kommentieren


Login

ASK - Unser Kooperationspartner
 
 


Unsere content-Partner
zum aktuellen Verzeichnis



Unsere 3 aktuellsten Fachartikel

Die Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen 'Moorschonende Stauhaltung' und 'Anbau von Paludikulturen' in Mecklenburg-Vorpommern
© Springer Vieweg | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH (8/2025)
Die Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen 'Moorschonende Stauhaltung' und 'Anbau von Paludikulturen' in Mecklenburg-Vorpommern Das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern strebt bis 2040 Klimaneutralität an. Die Entwässerung der Moore verursacht knapp 30 % der landesweiten Treibhausgasemissionen - hier ist dringender Handlungsbedarf. Seit 2023 fördern AUKM-Programme die Anhebung von Wasserständen in landwirtschaftlich genutzten Mooren. Es zeigen sich viele Fortschritte, die aber weiterhin auf Genehmigungs-, Finanzierungs- und Koordinationshürden stoßen.

Paludikultur als Chance für Landwirtschaft, Bioökonomie und Klima
© Springer Vieweg | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH (8/2025)
Wirtschaftliche Perspektiven sind notwendig, um die Landwirtschaft für die Umstellung von entwässerter Moorboden-Bewirtschaftung auf nasse Moornutzung zu gewinnen. Paludikultur-Rohstoffe bieten großes Potenzial für Klima und Bioökonomie. Erste marktfähige Anwendungen zeigen, dass sich etwas bewegt.

Die Revitalisierung von Mooren erfordert ein angepasstes Nährstoffmanagement
© Springer Vieweg | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH (8/2025)
Globale Herausforderungen wie der fortschreitende Verlust der biologischen Vielfalt, die Eutrophierung von Gewässern und die zunehmenden Treibhausgasemissionen erfordern die Wiederherstellung der natürlichen Funktionen von Mooren. Bis jedoch langjährig entwässerte und intensiv genutzte Moore wieder einen naturnahen Zustand erreichen und ihre landschaftsökologischen Funktionen vollständig erfüllen, können Jahrzehnte vergehen. Ein wesentlicher Grund dafür sind die hohen Nährstoffüberschüsse im vererdeten Oberboden.