Auf dem Weg zu einem neuen Tarifmodell in der deutschen Wasserversorgung - Teil 1: Anforderungen aus Sicht eines Wasserversorgers, Prozessgestaltung und Datengenerierung

Seit einigen Jahren befassen sich immer mehr Wasserversorgungsunternehmen mit der Umstellung ihrer Tarifsysteme. Demografischer Wandel, anhaltende Nachfragerückgänge und zunehmender Kosten- und Leistungsdruck sind hierfür die ausschlaggebenden Auslöser. Dabei ist eine solche Neuentwicklung von Tarifmodellen in der Wasserversorgung ein ambitioniertes Unterfangen. Die RWW hat diesen Weg beschritten.
In diesem ersten von zwei Artikeln wird zunächst ein Bewusstsein für die vielfältigen Anforderungen verschiedenster Stakeholder an eine Tarifmodellumstellung geschaffen. Dies begründet einen vergleichsweise komplexen, nahezu sämtliche Fachbereiche eines Wasserversorgers durchziehenden Prozess, in dessen Zentrum zunächst die Analyse von Strukturund Kundendaten sowie der darauf basierende Aufbau einer geeigneten Datenbasis stehen. Der Weg dorthin sowie die herausragende Bedeutung einer frühen und den Prozess begleitenden Kommunikation, insbesondere mit der Kommunalpolitik, sind Gegenstand dieses ersten Artikels. Die Gestalt des letztendlich von der RWW gewählten Tarifmodells wird in gwf-Wasser|Abwasser, Heft 9/2012, vorgestellt.

Der demografsche Wandel in Form von Geburtenrückgängen und Wanderungsbewegungen hat in vielen Regionen Deutschlands einen teilweise erheblichen Bevölkerungsrückgang ausgelöst. Dieser zieht in vielen Infrastrukturbereichen gravierende Folgen nach sich. Bestehende Einrichtungen werden immer weniger genutzt, sodass die anfallenden Kosten auf eine immer geringere Anzahl an verbleibenden Nutzern umgelegt werden müssen. Diese Entwicklung und deren Folgen sind mittlerweile in der Gesellschaft weitgehend akzeptiert. Uneinigkeit herrscht allenfalls noch in Bezug auf das Maß der Betroffenheit, dem daraus resultierenden Handlungsbedarf sowie den richtigen Lösungen zur Bewältigung dieser Herausforderungen. Wasserversorger - darunter auch die Rheinisch-Westfälische Wasserwerksgesellschaft mbH (RWW) - sind von diesem Problem in doppelter Hinsicht betroffen. Zum einen sinkt die Zahl der Einwohner und damit einhergehend die strukturelle Nachfrage nach Wasser. Gleichzeitig geht zum anderen aber auch der spezifische Wassergebrauch zurück. Das Wassersparen hat sich aus unterschiedlichen Gründen im Verbrauchsverhalten der Bundesbürger fest verankert. Dies hat unaufhaltsame Folgen für die Auslastung von Wasserwerken und Rohrnetzen. Während die Absatzmengen zurückgehen, bleiben die Kosten für die Vorhaltung zur Wasserversorgung jedoch weitgehend unveränderbar. Je nach der Art der Berechnung sind bis zu 80 % der Kosten der Wasserversorgung unveränderbare fixe Kosten, die nicht von der verbrauchten Menge abhängen. Diese fixen Kosten, die damit einen Großteil der Gesamtkosten eines Wasserversorgers ausmachen, müssen auf eine weiter sinkende Absatzmenge umgelegt werden. Das hat unvermeidliche Preissteigerungen zur Folge, wenn Deckungslücken oder Leistungseinschränkungen auf Seiten des Wasserversorgers vermieden werden sollen. Preissteigerungen implizieren, dass Nutzergruppen mit Substitutionsmöglichkeiten ihren Gebrauch weiter reduzieren. Ein Sparkreislauf auf Nachfragerseite und eine Preisspirale auf Anbieterseite werden in Gang gesetzt, die sich gegenseitig verstärken.



Copyright: © DIV Deutscher Industrieverlag GmbH
Quelle: GWF 07-08/2012 (Juli 2012)
Seiten: 8
Preis: € 8,00
Autor: Prof. Dr. Mark Oelmann
 
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