Kompostieren und/oder Vergären - Systemstreit oder Zukunftsmodell?

Die Getrennterfassung von Bioabfällen ist ein zentraler Baustein für eine nachhaltige Entsorgungswirtschaft und stellt das Paradebeispiel praxisgerechter Kreislaufwirtschaft dar. In Deutschland werden jährlich fast 9 Millionen Mg Bioabfälle getrennt erfasst und anschließend verwertet. Über 35 % der Siedlungsabfälle und über 40% aller getrennt gesammelten Wertstoffe sind Bioabfälle. Diskussionen über die Sinnhaftigkeit der Biotonne erfolgen immerdann, wenn es um die Neueinführung, eine mögliche Erweiterung oder aber auch um eine Abschaffung der getrennten Erfassung geht. Vielerorts wird überlegt, ob die bestehende Getrenntsammlung von Wertstoffen zu vereinfachen sei.

Ein Abrücken von der getrennten Bioabfallsammlung kann jedoch keinesfalls der richtige Weg sein, zumal sie politisch gewollt und gesetzlich gefordert ist. Deshalb kann nur davor gewarnt werden, an der Biotonne zu rütteln. Dies dürfte auch dem Bürger schwer zu vermitteln sein. Schließlich wurde dieser mit millionenschweren Kampagnen motiviert, den Bioabfall vom Restabfall zu trennen. Neuste Überlegungen einzelner Kommunen wie sie z.B. aus Offenbach (keine getrennte Erfassung und somit keine stoffliche Verwertung) zu hören sind, sind sicher nicht geeignet, von nachhaltiger Kreislaufwirtschaft zu reden. Erfreulicherweise steht die getrennte Erfassung aber nicht wirklich auf dem Prüfstand. Nachdem in den letzten Jahren zwar immer wieder durch verschiedenste Institutionen und Personen Angriffe auf die Biotonne stattfanden, wurden diese aber mehrfach durch seriöse und wissenschaftliche Untersuchungen widerlegt. Insgesamt kann man von einer beispiellosen Erfolgsgeschichte der Bioabfallsammlung in den letzten 25 Jahren sprechen. Wenn darüber hinaus noch weiteres Biomassepotential - bei konsequenter Getrenntsammlung immerhin mehr als 4 Millionen Mg - abgeschöpft wird, wird diese Erfolgsgeschichte immer perfekter. Diese Zahl ist der Tatsache geschuldet, dass immer noch mehr als die Hälfte der Bevölkerung die Biotonne nicht nutzt oder nutzen kann. Eine fachgerechte abfallpolitische Strategiediskussion über das Thema getrennte Erfassung und Verwertung von Bioabfällen wird eine entsprechende Würdigung finden und an der Getrennterfassung von Bioabfällen mit landwirtschaftlicher Verwertung von Kompost muss sowohl aus ökologischer als auch ökonomischer Sicht festgehalten werden.



Copyright: © IWARU, FH Münster
Quelle: 12. Münsteraner Abfallwirtschaftstage (Februar 2011)
Seiten: 4
Preis: € 2,00
Autor: Dr. Hubert Seier
 
 Diesen Fachartikel kaufen...
(nach Kauf erscheint Ihr Warenkorb oben links)
 Artikel weiterempfehlen
 Artikel nach Login kommentieren



Diese Fachartikel könnten Sie auch interessieren:

Erfahrungen bei der Beratung von Vergärungs- und Kompostierungsanlagen
© Witzenhausen-Institut für Abfall, Umwelt und Energie GmbH (4/2024)
Die Verwendung von Biogut- und Grüngutkompost ist eine Möglichkeit, Nährstoffdefizite im Ökolandbau zu vermeiden sowie die Bodenfruchtbarkeit zu erhalten und sogar zu steigern.

Die DRANCO-Technologie
© Witzenhausen-Institut für Abfall, Umwelt und Energie GmbH (4/2023)
Die DRANCO-Vergärungstechnologie wurde durch die Untersuchung und Optimierung der spontanen 'trockenen' Vergärung, die auf einer Deponie stattfindet, entwickelt.

Weiterentwicklung der MBA mit vorgeschalteter Trockenvergärung der Feinfraktion
© Witzenhausen-Institut für Abfall, Umwelt und Energie GmbH (4/2023)
Die Integration einer neuen Vergärungsstufe in die bestehende biologische Trocknungsanlage (BA) am Standort Ennigerloh erfordert umfangreiche Voruntersuchungen zu Auslegungsmengen und Stoffkennwerten des Eintrags sowie zu den Auswirkungen auf Massen- und Energiebilanzen des Gesamtprozesses. Anhand von verfahrens- und anlagenspezifischen Bilanzmodellen sowie Variantenvergleichen werden geeignete Auslegungs- und Verfahrensvarianten identifiziert und es wird eine belastbare Datengrundlage zur Auswahl von Vorzugsvarianten geschaffen.

Havarie und Wiederaufbau eines MBA-Fermenters am Beispiel der RABA Bassum
© Witzenhausen-Institut für Abfall, Umwelt und Energie GmbH (4/2023)
Die AbfallWirtschaftsGesellschaft mbH betreibt im Entsorgungszentrum Bassum einen Fermenter zur Teilstromvergärung der Restabfälle. Im Oktober 2022 ist durch einen Abriss der Austragsleitung im unteren Bereich eine große Menge Gärmaterial ausgelaufen und der Behälter erlitt einen beträchtlichen Schaden. Nachdem in den ersten Tagen zunächst die direkten Folgen, wie Verschmutzungen, beseitigt werden mussten, sind in den Folgewochen die Planungen für den Wiederaufbau angelaufen. Dieser soll planmäßig noch im Jahr 2023 erfolgen.

CE-Kennzeichnung von Komposten und Gärprodukten - Stand und Perspektiven
© Witzenhausen-Institut für Abfall, Umwelt und Energie GmbH (4/2023)
Vor dem Hintergrund der globalen Düngemittelkrise hat sich die Nachfrage nach Sekundärrohstoffen im letzten Jahr drastisch gesteigert. Hochwertige Komposte und Gärprodukte, die als Bodenverbesserungsmittel, organische Düngemittel oder als Torfersatz in Blumenerden verwendet werden, sind mehr gefragt denn je. Mit dem Inkrafttreten der EU-Düngemittelproduktverordnung im Juli 2022 ist der Weg geebnet worden, recycelte Materialien aus Bioabfällen als Produkte auf den EU-Markt zu bringen. Das Ende der Abfalleigenschaft für getrennt gesammelte und behandelte Bioabfälle kann mit der Vermarktung von CE-gekennzeichneten Düngeprodukten erreicht werden. Eine unabhängige Zertifizierung der Kompost- und Gärprodukt-basierten Düngematerialien ist dafür unabdingbar.