Profit im Kanal - Novelle des Landeswassergesetzes von Nordrhein-Westfalen
Die Abwassergebühren in Deutschland sind im europäischen Vergleich Spitze. Und sie werden in vielen Kommunen weiter steigen. Ein Grund dafür sind die notwendigen Milliardeninvestitionen in die maroden Kanalnetze. Die Novelle des Landeswassergesetzes von Nordrhein-Westfalen könnte erstmals Privaten den Zugriff auf den Kanal ermöglichen.
28.09.2006 Zwischen dem, was Bürger an Abwassergebühren zahlen und dem, was die Kommunen davon in ihre Kanalnetze investieren, liegt viel Luft. So viel Luft, dass die privaten Entsorger hier ein neues Geschäftsfeld wittern. "Private arbeiten effizienter, kostendeckend und lukrativ", konstatierte Dr. Stephan Harmening, Hauptgeschäftsführer des Bundesverband der deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE) kürzlich in Düsseldorf vor der Presse. Würde das deutsche Kanalnetz ganz oder teilweise in private Hände übergehen, so der BDE, kämen die maroden Kanäle schneller wieder in Schuss, die kommunalen Kassen würden entlastet und die Abwassergebühren eventuell sogar sinken. Daran glauben auch Politiker und Fachleute in Nordrhein-Westfalen. Die anstehende Novelle des Landeswassergesetzes sieht zum ersten Mal in einem deutschen Bundesland die Möglichkeit vor, dass Kommunen ihre Kanalnetze verkaufen - an Abwasserzweckverbände oder an private Unternehmen. Das Gesetz soll Anfang 2007 verabschiedet werden, für Herbst erwartet die Fachwelt einen Referentenentwurf.
Die Novelle bedeutet eine wichtige Weichenstellung für den Abwassermarkt in Deutschland. "Der Investitionsbedarf in den deutschen Kanalnetzen ist so groß, dass in den nächsten Jahren das Engagement privater Firmen unabdingbar ist", so Harmening. Bundesweit seien in den nächsten 15 Jahren rund 50 Mrd. Euro notwendig, um die Abwasserkanäle zu sanieren und auszubauen. In NRW gilt rund ein Fünftel des Kanalnetzes als sanierungsbedürftig, die Kosten für eine Instandsetzung werden auf sieben bis neun Milliarden Euro geschätzt. Dennoch sehen Private Profit im Kanal. Man kann Abwasserkanäle beispielsweise an Fremdnutzer vermieten, die ihre Leitungen oder Glasfaserkabel durch die bereits bestehenden Rohre ziehen. "Außerdem lassen sich durch kluges Management und moderne Technologien die Sanierungskosten deutlich senken", sagt Prof. Karl-Ulrich Rudolph, Leiter des Instituts für Umwelttechnik und Management an der Universität Witten/Herdecke.
Ob Kanäle in NRW tatsächlich bald in privater Hand sein werden, ist freilich offen. Die derzeit diskutierte Novelle fasst die freiwillige Übertragung der Kanalnetze in zwei Paragraphen. § 53 sieht eine "Übertragung von Aufgaben der Abwasserbeseitigungspflicht auf Dritte" vor - mit öffentlicher Ausschreibung und mit Genehmigung der Behörde. Daneben bestimmt § 54 eine "Kanalkaufoption für die sondergesetzlichen Wasserverbände" - das allerdings ohne Ausschreibung. An diesem Vorkaufsrecht könnten die Privatisierungsansätze scheitern: Es ist juristisch umstritten und politisch wahrscheinlich nicht durchsetzbar.
Ein zweiter Streitpunkt ist zudem die Debatte um die steuerliche Ungleichbehandlung von kommunalen und privaten Netzbetreibern. "Kommunale zahlen keine Mehrwertsteuer, private den vollen Satz", kritisiert Harmening. Dagegen hat der BDE Beschwerde bei der EU-Kommission eingereicht - mit dem Ziel, dass irgendwann alle Marktteilnehmer den gleichen Steuersatz bezahlen müssen. Solange es aber dieses Steuerprivileg gibt, würden die Abwassergebühren bei einer Privatisierung der Kanalnetze auf jeden Fall steigen, argumentieren die Kommunalverbände.
Diese Prognose hat Rudolph widerlegt. Er hat die Gebühren deutscher Großstädte verglichen und festgestellt: Ihre Höhe hängt nicht davon ab, ob Umsatzsteuer auf die Leistungen erhoben wird oder nicht. Betreibermodelle, die mit Mehrwertsteuer belastet sind, verlangen vom Bürger sogar eher weniger Geld als öffentliche Entsorger. Was genau die Höhe der Gebühren bestimmt und warum der Kubikmeter Abwasser in der einen Stadt einen Euro, in einer anderen dagegen 3,50 Euro kostet, das weiß allerdings auch der Experte nicht. "Das bleibt Geheimnis der Kommunen."
Unternehmen, Behörden + Verbände: BDE, Institut für Umwelttechnik und Management Universität Witten/Herdecke
Autorenhinweis: Christa Friedl
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