Reichen die Vorschläge aus? - Modernisierungsbericht der Bundesregierung zur Wasserwirtschaft

Der Modernisierungsbericht des Bundesregierung enthält zwei strategische Instrumente: das freiwillige und anonyme Benchmarking und die interkommunale Zusammenarbeit. Zugunsten der kommunalen Betriebe bzw. ihren Verwaltungen und Funktionsträger soll das Steuerprivileg gesichert, die Wettbewerbsfreistellung ausgedehnt und das Örtlichkeitsprinzip gelockert werden. Die Notwendigkeit von Effizienzverbesserungen, Wettbewerb und Verbraucherschutz im Wassersektor werden zwar angesprochen, sind gegenüber den genannten politisch maßgebenden Interessen in Deutschland weiterhin nachrangig eingestuft.

24.07.2006 Der Bericht der Bundesregierung zur ,Modernisierungsstrategie für die deutsche Wasserwirtschaft' zeigt deutlich, wo sachliche Notwendigkeiten von der Politik erkannt und anerkannt werden, und wo umgekehrt die politischen Mehrheiten fehlen, um Veränderungen vorzunehmen. Aus wasserfachlicher Sicht, insbesondere für den technisch-wirtschaftlich orientierten Branchenkenner, mag der Bericht Widersprüche, erhebliche Schwächen und Unausgewogenheiten beinhalten. Das zu kritisieren wäre jedoch insoweit verfehlt, als es sich bei dem Bericht von seiner Entstehung und Aufgabe her ganz eindeutig um ein Papier handelt, welches nach politischen Mehrheitsinteressen austariert und formuliert ist, und eben nicht ein nach wissenschaftlichen und praxisorientierten Kriterien zu beurteilendes Werk.

Der Wassersektor Deutschlands wird mit seiner Kernstärke und seiner Kernschwäche so erkannt und beschrieben, wie er international gesehen wird: Der technische Stand ist hoch, aber die Kosteneffizienz lässt zu wünschen übrig. Das konnte die Bundesregierung verständlicherweise nur indirekt konstatieren.

Laut Modernisierungsbericht wären bei Einführung eines ermäßigten Umsatzsteuersatzes für die Abwasserentsorgung (7 Prozent, analog zur Trinkwasserversorgung) die Steuermindereinnahmen für den Bund vernachlässigbar - auch bei Einführung einer so genannten Optionslösung (Kommunen, Verbände könnten eine gewisse Übergangsfrist wahlweise auf Mehrwertsteuer-/Vorsteuerabzug optieren oder nicht). Dieser ermäßigte Umsatzsteuersatz sei nach steuerrechtlicher Prüfung wegen der 6. Richtlinie 77/388/EWG derzeit jedoch nicht möglich. Der volle Umsatzsteuersatz würde insgesamt zu Mehrbelastung bei Bürgern und gewerblicher Wirtschaft führen, was durch den Bundestagsbeschluss zur Modernisierung ausgeschlossen war.

Die im Modernisierungsberichtes angesprochene Problematik, dass sich im deutschen Wassersektor aufgrund der steuergesetzlichen Verhältnisse international wettbewerbsfähige Wasserunternehmen nicht oder nur erschwert bilden können, und dass dies auf Dauer die Zukunftsfähigkeit der Wasserbranche insgesamt gefährdet und letztlich den Interessen von den Verbrauchern und dem Umweltschutz zuwider läuft, ist nicht maßgebend. Die Wahrung der kommunalen Verwaltungsinteressen hat Priorität. Darauf können die kommunalen Entsorgungsunternehmen setzen, und die Privaten müssen sich damit abfinden.

Die Auswirkungen der Mehrwertsteuer-Ungleichbelastung auf die Kosten und Gebühren ist keineswegs so eindeutig, wie aufgrund der buchhalterischen Betrachtung häufig angenommen. Die Statistik zeigt, dass mehrwertsteuerbelastete Abwasser- und Abfallentsorgungsbetriebe keineswegs generell höhere Kosten und Gebühren erheben als solche, die Mehrwertsteuer-privilegiert sind. Andere Kostenparameter haben Vorrang. Der Statistik lässt sich eher entnehmen, dass unter Wettbewerb stehende Betriebe durch Rationalisierungseffekte ceteris paribus günstiger abschneiden. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass ÖPP-Modelle und Privatisierungen vorzugsweise in Problemfällen eingesetzt werden und nicht mit dem weniger Problem beladenen Durchschnitt ohne Weiteres verglichen werden können. Die Ergebnisse einer am Institut für Umwelttechnik und Management an der Universität Witten/Herdecke gGmbH vorgenommenen Auswertung des Status quo zeigt folgendes Bild:

Analog zur Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser (AVBWasserV) wird im Modernisierungspapier der Erlass einer AEBAbwasserV vorgeschlagen, um die Umsetzung des § 18a (2a) WHG mit der Übertragung der Abwasserbeseitigungspflicht auf einen Dritten zu regeln.

Die Verordnung soll einheitliche Rahmenbedingungen schaffen und die Interessen des Verbrauchers schützen. Nach Kenntnis des Verfassers würden die meisten kommunalen und privaten Abwasserbetriebe eine derartige Regelung begrüßen, auf die man sich bei der Projektentwicklung im Einzelfall stützen könnte. Allerdings wurde darauf hingewiesen, dass es heute mehr denn je darauf ankomme, wie auf örtlicher Ebene mit den vorhandenen Gesetzen und Regelwerken umgegangen wird. Auf der operativ maßgebenden Ebene (und das sind nach der verfassungsgemäß geregelten Struktur in Deutschland die Gemeinden oder Länder) werde definiert, was zulässig und unterstützenswert sei und was nicht. Die Tatsache, dass heute Kommunalaufsicht ,A' anders entscheide als Kommunalaufsicht ,B', bei gleichem Sachverhalt und im Prinzip gleichen gesetzlichen Rahmenbedingungen, und dass darüber hinaus auch nicht immer klar sei, wer wann "das letzte Wort" habe (von der EU über die Bundes- und Landes- bis hinunter zur Gemeindeebene), sei für alle Akteure im Wassersektor eine Erschwernis. Dies fördere letztlich die Zersplitterung der Branche im Gegensatz zu der in Kapitel 2 des Modernisierungsberichtes genannten Zielvorstellung einer strukturellen Konsolidierung.
 
Das so genannte Örtlichkeitsprinzip resultiert aus der kommunalen Gebietshoheit. Kommunen haben das Monopol in ihrem Gebiet, dürfen die Monopolerträge aber nicht dafür nutzen, um anderen außerhalb ihres Gebietes Konkurrenz zu machen.

Mit der Liberalisierung im Energieversorgungsbereich ist das Gebietsmonopol auf den Netzbetrieb beschränkt worden; die Stromproduktion findet überregional und international statt. Die Stadtwerke, deren strategischen Schwerpunkte entsprechend den Umsätzen bei der Energieversorgung liegt (der Wasserversorgungsbereich und mehr noch der Abwasserbereich ist dem gegenüber weniger wichtig) verlangt die Lockerung des Örtlichkeitsprinzips,

weil ansonsten der Wettbewerb "eine Einbahnstraße" sei (VKU). Private Unternehmen würden nämlich in den Geschäftsbereich der Kommunen einbrechen, und den Kommunen sei es umgekehrt verwehrt, sich selbst außerhalb ihres Gebietes zu betätigen.

weil die Schaffung größerer Einheiten zwecks Kostendegression die Tätigkeit von Kommunen außerhalb ihres Gebietes verlangt (siehe dazu Kapitel 2, betreffend Interkommunale Kooperation).

weil deutsche Unternehmen sich auch international bestätigen sollten, und das Örtlichkeitsprinzip dem nicht entgegenstehen dürfe.
 
Der Modernisierungsbericht der Bundesregierung lässt erkennen, dass die Bundesregierung offensichtlich einer Lockerung des Örtlichkeitsprinzips zuneigt. Die Entscheidung obliege aber den Ländern, weshalb die unterschiedlichen Auffassungen der Länder ausführlich zitiert werden. Gegen die Lockerung des Örtlichkeitsprinzips sprächen allerdings ordnungs-, insbesondere mittelstandspolitische Aspekte.

Aber auch bei manchen Kommunalvertretern ist man skeptisch, ob es gut sei, die Kommunen vom Örtlichkeitsprinzip zu befreien: Im Gegenzug wäre es nämlich schwierig, die vorhandenen Privilegien (Monopolschutz, Steuerprivilegierung usw.) zu verteidigen. Auch sind die Risiken unternehmerischer Tätigkeit der einen oder anderen Kommune durchaus bewusst, die auf diesem Gebiet schon herbe Verluste erlitten hat. Bekanntestes Beispiel ist die Landesbank der Bundeshauptstadt.
 
Zusatzinformation:
 
Sieg im Bereich 'Wassermanagement"
Für die Teilnahme am Globalen Wettbewerb 2006 "Innovationen bei Wasser-, Abwasser- und Energiedienstleistungen für die arme Bevölkerung" hat die Weltbank 2.752 qualifizierte Anträge erhalten. 119 wurden als Finalisten ausgewählt. Als Sieger des Globalen Wettbewerbs 2006 sind 30 innovativen Projekten fünf Mio. US-Dollar zuerkannt worden, für Ideen, die den jeweiligen Gemeinschaften konkrete Vorteile bringen, indem auf die Primärbedürfnisse für sauberes Wasser, hygienische Abwasserentsorgung und Anschluss an Energiequellen eingegangen wird. Zu den diesjährigen Sponsoren des Wettbewerbs gehörten GEF (Global Environment Facility) und IFC (International Finance Corporation), zusammen mit der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung und dem GVEP (Global Village Energy Project). Zum ersten Mal siegte im Bereich ,Wassermanagement' ein Team, das von einem Deutschen geleitet wird: Karl-Ulrich-Rudolph (li.), Professor an der Universität Witten/Herdecke und Internationaler Berater im Wassersektor, der am 10. Mai eine Förderzusage über 200.000 US-Dollar sowie die Trophäe aus den Händen des Weltbank-Präsidenten Paul Wolfowitz (re), erhielt.

Unternehmen, Behörden + Verbände: VKU, Universität Witten/Herdecke
Autorenhinweis: Prof. Karl-Urlich Rudolph



Copyright: © Deutscher Fachverlag (DFV)
Quelle: Juli/August 2006 (Juli 2006)
Seiten: 2
Preis: € 0,00
Autor: Prof. Dr.-Ing. Dr. rer. pol. Dr. h. c. Karl-Ulrich Rudolph
 
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