Vom Sondermüll zum Wertstoff - E-Schrott-Recycling auch bei problematischen Chargen
Die Entsorgung der in Deutschland jährlich anfallenden 1,8 Mio. Tonnen Elektronikschrott liegt in der Verantwortung der Hersteller. Doch wie sieht die Entsorgung aus? Wie sind die von EU und deutschem Recht geforderten Recycling-Quoten zu erreichen? Eine Antwort auf diese Fragen gibt Haloclean, ein im Forschungszentrum Karlsruhe entwickeltes Verfahren, das insbesondere für die Verwertung hoch schadstoffbelasteter Elektronikabfälle anwendbar ist.
16.06.2006 Von A wie Abzugshaube bis Z wie elektrische Zahnbürste reichen die Produkte, die als Elektronikschrott enden. Dazwischen lässt sich über Computer, Gameboy, Rasierapparat und Walkman praktisch das ganze Alphabet buchstabieren. Ähnlich komplex wie die Geräteliste ist die Zusammensetzung des zu entsorgenden Materials. Wertvolle Stoffe wie Edelmetalle und Kupfer stehen neben geringwertigen wie Glas und Kunststoffen oder sogar umweltgefährdenden wie Cadmium, Blei und bromierten Flammschutzmitteln.
Mit dem im Forschungszentrum Karlsruhe entwickelten Verfahren ,Haloclean' sind Recycling- und Verwertungsquoten bis zu 99 Prozent auch bei ökologisch bedenklichen Chargen, insbesondere stark mit bromierten Kunststoffen versetzten, realisierbar. Herzstück des Verfahrens ist eine thermisch-chemische Behandlung der Reststoffe in Haloclean-Reaktoren. "Wesentliches Ziel ist die hohe Wertschöpfung aus den Elektronikabfällen", erläutert Dr. Andreas Hornung, der das Haloclean-Projekt im Institut für Technische Chemie, Bereich Thermische Abfallbehandlung, des Forschungszentrums Karlsruhe aufgebaut hat und leitet. "Wir trennen wertvolle Edelmetalle und weitere Metalle ab und verkaufen sie weiter. Entstehende Gas- und Ölanteile können entweder stofflich verwertet oder zur Energiegewinnung genutzt werden. Brom erhalten wir in Form von Bromwasserstoff wieder, den die Industrie als Grundstoff weiterverwendet."
Das Haloclean-Verfahren beruht auf einer thermisch-chemischen Behandlung von geschreddertem Elektronikschrott in gasdichten Drehrohren mit Förderschnecken. In einer zweistufigen Pyrolyse werden die Kunststoffbestandteile in Öl und Gas umgewandelt. Daraus lassen sich durch einen chemischen Verfahrensschritt Brom und andere Halogene wiedergewinnen; die entstandenen Öle und Gase sind als chemischer Rohstoff oder Brennmaterial einsetzbar. Aus dem verbleibenden Rückstand der Pyrolyse werden Edelmetalle und andere Metalle abgeschieden. "Durch die hohen Recyclingquoten ist Haloclean wirtschaftlich konkurrenzfähig", freut sich Andreas Hornung. "Haloclean läuft langzeitstabil und ist reif für die technische Anwendung. Gemeinsam mit unserem Kooperationspartner Sea Marconi planen wir den Aufbau einer mobilen Anlage mit einem Jahresdurchsatz von 6000 Tonnen."
Das Forschungszentrum Karlsruhe entwickelte Haloclean in Zusammenarbeit mit der italienischen Firma Sea Marconi (Turin) im Verbund mit mehreren europäischen Projektpartnern. Das EU-Projekt Haloclean begann, als die ersten Entwürfe der EU-Richtlinie zur Verwertung von elektrischen und elektronischen Gütern (WEEE Directive on Recycling of Waste Electrical and Electronic Equipment) erschienen waren. Die Richtlinie wurde durch das Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG) in deutsches Recht umgesetzt. Die EU förderte das Projekt seit 2003 mit rund 2,5 Mio. Euro, davon erhielt das Forschungszentrum Karlsruhe 1,5 Mio. Euro. Das Land Baden-Württemberg steuerte weitere 200.000 Euro bei.
Das Haloclean-Verfahren durchlief bereits störungsfrei einen 7-Wochen-24-Stunden-Test und soll Mitte dieses Jahres in einem mobilen Transportcontainer untergebracht werden. Sie kann bei einem Recycler oder bei einem Endverwerter stehen und entweder E-Schrott zu handtellergroßen Stücken verarbeiten oder - mindestens ebenso viel versprechend - unbrauchbare Biomasse oder minderwertige Mischkunststoffe verarbeiten, die sonst keinen Verkehrswert mehr haben. Die gewonnenen Gase lassen sich dann in einem Blockheizkraftwerk (BHKW) gewinnbringend nutzen.
Unternehmen, Behörden + Verbände: Forschungszentrum Karlsruhe, Sea Marconi
Autorenhinweis: Dr. Andreas Hornung, Martin Boeckh
www.fzk.de
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