Für die Abfallbranche gab es kurz vor Weihnachten ein besonderes Geschenk. BellandVision präsentierte seine erste, lang angekündigte Verwertungsanlage. Ob der "Quantensprung im Kunststoffrecycling" Bruchlandung oder Höhenflug wird, muss sich weisen.
(23.02.07) Rudolstadt in Thüringen ist eine beschauliche Gemeinde, die bislang nicht viel von sich reden gemacht hat. Das soll sich ändern - jedenfalls, wenn es nach Werner Fieder geht. "Wir öffnen eine neue Dimension für die Kunststoffverwertung", sagt der Geschäftsführer der hier ansässigen Innocycling GmbH. Die neue Dimension hat eine Stellfläche von rund 35 Quadratmetern und besteht im Wesentlichen aus mehreren Reaktionsbehältern, einer Filteranlage und einer kleinen Steuereinheit: Am 14. Dezember weihte in den vom Land angemieteten Hallen der Innocycling das Pegnitzer Unternehmen BellandVision seine erste Recyclinganlage für gebrauchte Plastikbecher ein.
Die Ansprüche an die kleine Anlage sind groß. "Wir setzen mit unserem Verfahren die Verpackungsverordnung so um, wie sie eigentlich gemeint war", betont Belland-Chef Roland Belz. "Bisher werden gebrauchte Kunststoffverpackungen meist zu dickwandigen Substituten von Holz oder Beton down-gecycelt. Wir dagegen betreiben echte Kreislaufwirtschaft."
Die Vision des schwäbischen Unternehmers ist so alt wie die Verpackungsverordnung. Innerhalb der vergangenen 15 Jahre haben verschiedene Firmen summa summarum etwa 150 Mio. Euro investiert, damit eine "andere Art des Mehrwegs" Realität wird. Heraus kam ein Verwertungsverfahren, das allerdings nicht für herkömmliche Verpackungskunststoffe geeignet ist. Es funktioniert nur mit dem Belland-Kunststoff - ein schwach gelblich gefärbtes Co-Polymer aus Acrylat und Styrol, das über freie Carboxylgruppen verfügt. Durch die Carboxylgruppen ist das Polymer leicht löslich, wobei die Löslichkeit vom pH-Wert abhängt: Im Alkalischen geht das Polymer in Lösung, im Sauren fällt es wieder aus. "Unser Material hat eingebaute chemische Sollbruchstellen", erläutert Belz. Das unterscheide es von herkömmlichen Kunststoffen, bei denen es darum gehe, sie mit Hilfe zahlreicher Zusätze immer stabiler und widerstandsfähiger zu machen.
Eine Reihe offener Fragen wartet auf Antworten
Die leichte Löslichkeit des Materials ist Basis für das Verwertungsverfahren in Rudolstadt. Gebrauchte und zerkleinerte Becher werden gewaschen und danach innerhalb von 20 bis 30 Minuten bei ca. 80 °C in einer einprozentigen Natronlauge gelöst. Dabei geht nur der Belland-Kunststoff in Lösung. Verunreinigungen, andere Kunststoffe, Papier und Metallreste dagegen nicht. Die milchige Lösung wird abgezogen, filtriert und mit heißer verdünnter Säure versetzt. Das Material flockt wieder aus, es wird gepresst und getrocknet. Ergebnis ist ein sauberes Rezyklat, so Belz, das molekular gereinigt ist und aus dem erneut Becher oder andere Verpackungen hergestellt werden können. "Eine zukunftsweisende Technik, die eine bessere stoffliche Verwertung möglich macht", urteilte bei der Einweihung Edgar Niedling, Ministerialrat im Thüringer Umweltministerium.
Mit dieser Technik will das Duo Belland/Innocycling sowohl Mehrweg- als auch Einwegsystemen Paroli bieten - und zwar in erster Linie dort, wo Cateringprodukte ohne aufwändige Logistik gleich nach Gebrauch wieder eingesammelt werden können: in Fußballstadien, bei Sportgroßveranstaltungen, in Zoos und Freizeitparks, bei Festivals und Messen. So werden Becher von Belland bislang in den Stadien von Hamburg, München, Nürnberg und Frankfurt und auch beim Köln-Marathon. Auch bei der letzt jährigen Fußballweltmeisterschaft erhielten Journalisten in den Pressezentren der Stadien ihre Getränke teilweise in Belland-Bechern. Der Teufel allerdings steckt im Detail. Noch ist die Anlage in Rudolstadt nicht komplett. Es fehlt bislang ein Aggregat, um ungelöste Fremdstoffe aus dem Reaktor auszutragen. Außerdem ist noch keine Trocknereinheit installiert. Die Trocknung des wiederausgefällten Polymers ist allerdings ein wesentlicher Schritt im Prozess - zum einen, weil sie den Großteil der Energie verbraucht, zum anderen, weil nur aus trockenem Rezyklat wieder Verpackungen hergestellt werden können. Im Moment hat das Produkt noch einen Wassergehalt von 30 Prozent. "Wir lassen derzeit mehrere Trocknungsverfahren testen", sagt Fieder. Er ist optimistisch, dass die Anlage ab Frühjahr 2007 dann ihren Regel-Betrieb aufnehmen kann.
Optimismus ist ein wesentlicher Bestandteil im Belland-Konzept. Denn die Liste der offenen Punkte ist lang. Noch gibt es keinen wissenschaftlichen Nachweis, dass das Rezyklat die Vorgaben der Lebensmitteltauglichkeit erfüllt. Ungeklärt ist, wer die im Prozess entstehenden Natriumsalze abnimmt bzw. wie sie entsorgt werden. Ein Wehmutstropfen sind nicht zuletzt die hohen Verwertungskosten von etwa 400 Euro pro Tonne, wobei nicht das Recycling selbst, sondern das Sammeln, Sortieren und Aufbereiten der Abfälle den Löwenanteil ausmachen.
Noch ein weiterer Punkt ist fraglich: Gibt der Markt ausreichend Abfälle für ein kontinuierliches Recycling her? Im Zwischenlager im nordrhein-westfälischen Ahaus, wo gebrauchte Becher gewaschen und zerkleinert werden, lagern erst 30 Tonnen von bisherigen Veranstaltungen. Im vergangenen Jahr wurden rund 10 Mio. Becher neu produziert, was einer Tonnage von ungefähr 120 Tonnen entspricht. Die Anlage in Rudolstadt kann jährlich aber mindestens 200 Tonnen Material verarbeiten. Bei einer Rücklaufquote zwischen 65 und 90 Prozent reichen die bisher verfügbaren Mengen nicht aus, um die Anlage über längere Zeit zu füttern.
All das kann die Begeisterung der Initiatoren nicht trüben. "Wir haben eine Vision, die begreifbar geworden ist", formuliert Fieder. Und der Schwabe Belz zeigt sich von Schwierigkeiten eher herausgefordert als entmutigt. "Man legt uns seit vielen Jahren Steine in den Weg, das kann mich nicht mehr schrecken." Er ist sicher, dass er bald neue Kunden von seiner Vision überzeugen kann.
Copyright: | © Deutscher Fachverlag (DFV) |
Quelle: | Januar/Februar 2007 (Februar 2007) |
Seiten: | 2 |
Preis: | € 0,00 |
Autor: | Christa Friedl |
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