Kunststoffabfälle gehen neue Wege: 2005 landeten erstmals größere Mengen in der thermischen Verwertung als im Recycling.
(16.04.07) Der Boom war leise und unauffällig. In vielen Bereichen der Wirtschaft - von Auto bis Verpackung, von Bau bis Medizin - haben Kunststoffe innerhalb der vergangenen zehn Jahre andere Werkstoffe verdrängt. Was Kunststofferzeuger und Verarbeiter freut, schafft für Verwerter eher ein Problem. Anders als bei Metall, Papier oder Holz ist die Verwertung von Kunststoffabfällen eine komplexe Materie. Nur sortenreines und sauberes Material lässt sich einfach und preiswert recyceln. Post-Consumer-Abfälle dagegen sind meist verunreinigte Gemische mehrerer Kunststoffsorten und daher nur mit großem technischen Aufwand und zu entsprechend hohen Kosten werkstofflich zu verwerten. Kein Wunder also, dass immer mehr Kunststoffabfälle in Müllverbrennungsanlagen landen.
Das spiegelt die jüngste Studie der Consultic Marketing & Industrieberatung wieder, die im Auftrag der Beteiligungs- und Kunststoffverwertungsgesellschaft mbH (BKV) Daten zu Produktion, Verbrauch und Verwertung von Kunststoffen im Jahr 2005 zusammengetragen hat. Die Autoren haben dafür 1600 Unternehmen befragt, zahlreiche Statistiken ausgewertet und die Expertise von mehreren Industrieverbänden eingeholt.
In Deutschland hat demnach die Branche im Jahr 2005 insgesamt 11,2 Mio. Tonnen Kunststoffe verarbeitet, das waren 600.000 Tonnen mehr als 2003. Davon erreichten 9,25 Mio. Tonnen den Endverbraucher - in erster Linie in Form von Verpackungen, Fensterprofilen, Rohren und Fußbodenbelägen, aber auch als medizinische Gerätschaften aller Art. Verpackungen dominieren die Szene: Von den 13 Mio. Tonnen Polymeren, die 2005 auf den deutschen Markt gelangten, waren 3,3 Mio. Tonnen Packmaterial - ein Drittel mehr als noch zwei Jahre zuvor.
Mehr Kunststoff bedeutet mehr Abfall. Für 2005 errechneten die Autoren eine Menge von 4,4 Mio. Tonnen Kunststoffabfällen. Davon stammten nur 1 Mio. Tonnen aus Produktion und Verarbeitung, aber 3,4 Mio. Tonnen aus dem schwierigen Post-Consumer-Bereich - verglichen mit 2003 entspricht das einem Zuwachs von 10 Prozent, verglichen mit 1994 gar von 77 Prozent. Die deutsche Kunststoffindustrie stehe zu ihrer Produktverantwortung, betonte BKV-Geschäftsführer Dr. Peter Orth. "Wir kommen unserem Ziel - keine Kunststoffabfälle auf Deponien und Nutzung der Abfälle als Ressource - immer näher", kommentierte er die neuen Zahlen.
Mehr Abfälle bedeutet aber nicht mehr Recycling. Von den 4,4 Mio. Tonnen gelangten 2005 rund 3,6 Mio. Tonnen in die "Verwertung". Allerdings wurden nur 1,63 Mio. Tonnen tatsächlich werkstofflich recycelt, etwas mehr - 1,66 Mio. Tonnen - wurden "thermisch verwertet", davon 1,45 Mio. Tonnen in Müllverbrennungsanlagen. Damit waren 2005 werkstofflicher und thermischer Weg erstmals der Menge nach gleichauf. Ein Großteil der Kunststoffabfälle, die vor der TASi auf Deponien gekippt wurden, kommen heute in die Müllverbrennung. Einiges spricht dafür, dass es in Zukunft noch mehr sein werden. In den Zahlen der Studie sind zum einen die Auswirkungen des Deponieverbot ab Juni 2005 erst teilweise erfasst. Zum anderen gelangen bedeutende Mengen an Post-Consumer-Abfällen nicht in die Getrenntsammlung sondern in die Restmülltonne, aus der Kunststoffe nur mit viel Aufwand wieder sauber aussortiert werden können.
Und nicht zuletzt wächst von Jahr zu Jahr im Post-Consumer-Strom der Anteil an Elektronik- und Elektroschrott, da die EDV-Lebenszyklen immer kürzer werden. Bei diesen Produkten aber, so formuliert Consultic, "erscheint wegen der Vielzahl der Kunststoffe eine werkstoffliche Verwertung wenig sinnvoll."