Echtes win-win-Projekt - Voestalpine setzt auf Kunststoffe als Reduktionsmittel im Hochofen
Aus gemischten Kunststoffabfällen lassen sich nur schwer hochwertige Recyclingprodukte fertigen. Voestalpine wird künftig 220.000 Tonnen Altkunststoffe im Hochofen nutzen.
(09.10.07) Schon seit Mitte der 90er Jahre werden in Deutschland Mischkunststoffe im Hochofen als chemisches Reduktionsmittel eingesetzt: Sie bilden im Hochofen Kohlenmonoxid und Wasserstoff, die dem Eisenerz den Sauerstoff entziehen. Auch der österreichische Stahlkonzern Voestalpine springt auf diesen Zug. Am Standort Linz werden künftig bis zu 220.000 Tonnen Altkunststoffe pro Jahr Schweröl und Koks ersetzen. Das entspricht mehr als einem Drittel der in Österreich jährlich anfallenden Menge an Altkunststoff.
Voestalpine nutzt vier verschiedene Stoffströme: Rund 70.000 Tonnen sind gebrauchte Verpackungen aus der haushaltsnahen Getrenntsammlung. Dazu kommt etwa dieselbe Menge Gewerbeabfälle, die vom österreichischen Entsorger AVE vor der Verbrennung aussortiert werden. Ein weiterer Teil der Kunststoffe stammt aus der mechanisch-biologischen Abfallverwertung. Der Rest ist Kunststoffgranulat aus alten Fahrzeugen: Unweit des Stahlstandortes Linz betreibt die Technische Behandlungssysteme GmbH (TBS) die weltweit erste Aufbereitungsanlage auf Basis eines Verfahrens, das vom VW-Konzern und der nordrhein-westfälischen SiCon entwickelt wurde. Bei diesem Verfahren werden aus Autoshredder Metalle, Glas, Schaumstoffe, PVC und PVC-freie Kunststoffe in separaten Fraktionen gewonnen. "Die Voestalpine Stahl GmbH ist damit weltweit das erste Unternehmen der Stahlbranche, das seine Kunden aus der Automobilindustrie dabei unterstützt, die von der EU vorgegebenen Recyclingquoten für Altautos zu erfüllen", verkündet das Unternehmen.
Aus den verschiedenen Kunststoffabfällen produziert AVE kleine Presslinge, die über einen Einblasturm in den Hochofen eingetragen werden. "Für die speziell dafür entwickelte Technologie haben wir die Marktführerschaft", sagt Projektleiter Thomas Bürgler. Voestalpine sieht in der Nutzung von Altkunststoffen in der Stahlindustrie weit mehr als das Experiment eines Einzelnen. Bis 2015 werden europaweit über 70 Prozent der Kunststoffabfälle als Mischkunststoffe anfallen, prognostiziert der Konzern. Abfälle also, die sich zum einen für ein werkstoffliches Recycling nur schwer eignen, zum anderen zu energiereich sind, um verbrannt zu werden.
Kunststoffe im Hochofen dagegen sind ein echtes win-win-Projekt, davon sind die Österreicher überzeugt. Zum einen reduziert der Ersatz von Schweröl und Koks die Emissionen - laut Konzern emittiert der Hochofen künftig 15 Prozent weniger Schwefeldioxid und rund 400.000 Tonnen weniger Kohlendioxid pro Jahr. Auch der Ausstoß von Schwermetallen steigt durch das neue Reduktionsmittel nicht an. "Das haben umfangreiche Analysen im Probetrieb ergeben", betont Bürgler. Zum anderen bringt die Verwertung der Altkunststoffe dem Konzern wirtschaftliche Vorteile: Sie sind wesentlich günstiger als Schweröl und Koks - auch vor dem Hintergrund, dass sich der Konzern an den Aufarbeitungskosten der Abfälle beteiligt.
Ob die Kunststoffe im Hochofen allerdings helfen, die gesetzlichen Verwertungsquoten zu erfüllen, ist fraglich. "Entscheidungen im EU-Parlament zur Revision der Abfallrahmenrichtlinie und Verbrennungsverordnung sind in der juristischen Abstimmung", sagt Bürgler. Mit anderen Worten: Es gibt unterschiedliche Auffassungen darüber, ob die Einbringung von Kunststoffabfällen in einen Hochofen eine Mitverbrennung oder eine stoffliche Verwertung ist. Derzeit beruft sich das Österreichische Lebensministerium auf die Definition als Mitverbrennung eines Abfalls. In einem Erlass von 2006 stellt die Behörde klar, dass laut Altlastensanierungsgesetz die Mitverbrennung von Kunststoffen im Hochofen "eine beitragspflichtige Tätigkeit" ist. Doch auch wenn der Beitrag von sieben Euro je Tonne fällig wird, betont Bürgler, "ist die Nutzung der Abfälle im Hochofen ökologisch und wirtschaftlich zweckmäßig."
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Autorenhinweis: Christa Friedl, Krefeld
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