Abfallbranche in Wartestellung - Novelle der Verpackungsverordnung
Eigentlich sollte die fünfte Novellierung der Verpackungsverordnung zügig über die Bühne gehen. Doch je feiner justiert wird, desto mehr Hindernisse tauchen auf.
(23.02.07) Kaum ein anderes Gesetz wurde innerhalb weniger Jahre so oft geändert wie die Verpackungsverordnung. Einige Dinge haben alle Beteiligten dabei gelernt: Selbstverpflichtungen der Wirtschaft werden nur selten eingehalten. Wenn ein Gesetz Schlupflöcher hat, werden sie mit Sicherheit intensiv genutzt. Und: Handel und Hersteller nehmen die Verantwortung für ihre Verpackungen nicht ernst genug. "Derzeit stehen wir vor einer Erosion der Produktverantwortung", warnte Dr. Helge Wendenburg, Leiter der Abteilung Abfallwirtschaft im Bundesumweltministerium (BMU), kürzlich auf einer Tagung der Stiftung Initiative Mehrweg in Bonn.
Die fünfte Novelle der Verpackungsverordnung soll es richten. In erster Linie soll sie das Geschäft von Dualen Systemen klar von dem der Selbstentsorger trennen und Trittbrettfahrern den Boden entziehen. Dafür schreibt sie vor, dass alle Haushaltsabfälle bei einem Dualen System lizenziert werden müssen. Sie soll zum zweiten mehr Transparenz auf dem Markt schaffen. In so genannten Vollständigkeitserklärungen müssen Hersteller und Handel angeben, wie viel Verpackungen sie auf den Markt gebracht haben, welche Mengen wo lizenziert wurden und welcher Anteil davon wieder eingesammelt wird. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag wird diese Testate kontrollieren und im Internet öffentlich machen, wer seine Erklärung abgegeben hat und wer nicht.
Außerdem stärkt die Novelle die Rolle der Kommunen. Die Länder erhalten das Recht, im Freistellungsbescheid der Dualen Systeme Rückstellungen festzuschreiben. Damit sichern sich die Kommunen finanziell ab, wenn die Sammlung mal nicht funktioniert wie geplant. Auch sind die Betreiber künftig verpflichtet, ihre Sammelstrukturen mit den Gemeinden abzustimmen. Nicht zuletzt soll es möglich werden, die Erfassung stoffgleicher Nichtverpackungen mit auszuschreiben. "Wenn künftig auch andere Abfälle aus Kunststoff in der Gelben Tonne gesammelt werden dürfen, wird das die Recyclingquote erhöhen", lobt Monika Büning von der Verbraucherzentrale Bundesverband.
Doch der Teufel steckt im Detail. Problematisch ist es, eine klare Schnittstelle zwischen haushaltsnahen und gewerblichen Abfällen zu ziehen. So werden Kliniken künftig wie Gewerbe eingestuft, kleine Betriebe oder Anwaltspraxen dagegen wie Haushalte. Auch die Ausschreibungsmodalitäten ändern sich. Die "Ausschreibungsführerschaft" für jeweils drei Jahre erhält dasjenige Unternehmen, das in einem Vertragsgebiet den jeweils größten Marktanteil hat. Karin Opphard, Geschäftsführerin des VKS im VKU, sieht da ein großes Problem: Schreiben Duale Systeme wie Interseroh oder Eko-Punkt, die zu Entsorgungsunternehmen gehören, Dienstleistungen aus, würden sie erfahren, wie ihre Mitbewerber kalkulieren. "Das ist eine Benachteiligung kleinerer Entsorger,", so Opphard. Der VKS fordert daher, dass die Ausschreibung von den Kommunen durchgeführt wird. Außerdem wird es trotz Novelle "auch künftig viele Trittbrettfahrer geben", sagt Dr. Fritz Flanderka, Geschäftsführer der reclay Holding GmbH. Bei Ökobauern, Bäckern, Metzgern, Bau- und Großmärkten könne keiner kontrollieren, wie viele Verpackungen hier ohne Lizenzierung auf den Markt kommen.
Die Diskussion geht also weiter. Wann die Novelle verabschiedet wird, ist offen. Dem Werk steht noch ein langer Gang durch die Instanzen bevor: öffentliche Anhörung, Ressortabstimmung, Notifizierung bei der EU, Überprüfung durch den Normenkontrollrat. Das wird wohl bis Ende dieses Jahres dauern.
Unternehmen, Behörden + Verbände: BMU, vks im vku
Autorenhinweis: Christa Friedl
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