Das Bundesumweltministerium hat am 17. September 2007 den beteiligten Kreisen den Entwurf einer Verordnung zur Absicherung der Nationalen Emissionshöchstmengen übersandt. Der Verordnungsentwurf sieht für Kraftwerksneubauten und für Abfallverbrennungsanlagen einen gemeinsamen, verschärften Grenzwert für die Emissionen von Stickoxid— Frachten vor. Für die Gleichbehandlung aller thermischen Verfahren gibt es wichtige Gründe. Nicht zuletzt beugt die Verschärfung der Abgasgrenzwerte für die Abfallverbrennung möglichen Akzeptanzverlusten dieser Technologie vor.
Im Jahr 1960 stellten Wissenschaftler erstmals einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen den Schwefeldioxid-Emissionen im kontinentalen Europa und der Versauerung der skandinavischen Seen her. Die Diskussion über das Waldsterben in den 80er Jahren und die außergewöhnliche Zunahme der Eutrophierung der Seen in Europa bewirkten schließlich einen Stimmungsumschwung bei Bürgern, Medienvertretern und Politikern. Das neue Ziel bestand jetzt darin, die Politik der hohen Schornsteine“ zu beenden, die dazu geführt hatte, dass die beträchtlichen Schadstoffemissionen – Schwefeldioxid (SO2) und Stickoxide (NOx) – in die Troposphäre gelangten und dann als Niederschlag in weit entfernten Regionen die Umwelt beeinträchtigten: Emissionen von SO2, NOx und Ammoniak (NH3), die zum sauren Regen beitragen, bewirken eine Versauerung von Böden und Gewässern. Atmosphärischer Stickstoffeintrag (NOx, NH3) führt zur Eutrophierung der Gewässer und Böden. Durch Emissionen von Ozon-Vorläufer-Substanzen – Stickoxide, NOx und Flüchtige Organische Verbindungen ohne Methan (NMVOC) – kommt es zur Bildung von bodennahem Ozon.
Diese Fakten führten zu einem Umdenken, das jetzt die Verantwortlichkeit der Verursacher zur Leitlinie erhob. Nicht nur die nationalen Interessen, sondern auch die der Nachbarn sollten beachtet werden. Im Jahre 2001 wurde die Richtlinie 2001/81/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2001 über nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe (NEC-Richtlinie) beschlossen. Die Richtlinie legt die Höchstmengen der jährlichen Emissionsmengen eines Mitgliedsstaates im Hinblick auf die Stoffe SO2, NOx, NH3, und NMVOC fest, die spätestens im Jahr 2010 nicht mehr überschritten werden dürfen. Die Emissionshöchstmengen der NEC-Richtlinie wurden 2004 in deutsches Recht (33. BImSchV) umgesetzt. Um diese Verpflichtung zu erfüllen, wurden zahlreiche Maßnahmen eingeleitet, die dazu führten, dass die Emissionen der Luftschadstoffe teilweise erheblich sanken.
Trotz der Erfolge bei der Minderung von Emissionen stellen Versauerung, Eutrophierung und bodennahes Ozon immer noch Probleme in weiten Teilen Europas dar. Dem Umweltsachverständigenrat und den Szenarien zufolge, die die Europäische Kommission vorgelegt hat, wird die Eutrophierung noch weit über 2010 hinaus ein Problem darstellen. Das Multikomponentenprotokoll (UN-ECE) und die NEC-Richtlinie sollen deshalb im Zuge der Novellierung für den Zeitraum nach 2010 für das Zieljahr 2020 weiter verschärft werden. Aufgrund der Thematischen Strategie (TS) der EU wird für die laufende Gesetzgebung eine Minderung der Emissionen der NEC-Schadstoffe in Deutschland zwischen 29 und 58 Prozent angestrebt. Von den genannten Schadstoffen gehen von den Stickoxiden die größten Probleme aus. Aktuell liegen die Emissionen bei rund 1.300 kt/a und werden bereits für 2010 ohne zusätzliche Maßnahmen den festgelegten Zielwert um rund 60.000 Tonnen verfehlen (siehe Abbildung).
Abbildung: NOx-Reduzierung: Zielsetzungen für das Jahr 2010 und die geplante weitere Zielsetzung für das Jahr 2020 in Deutschland.
Maßnahmen zur Reduzierung der NOx- Emissionen
Die Emissionen an NOx stammen vor allem aus dem Verkehr und aus der stationären Verbrennung von Brennstoffen zur Erzeugung von Strom und Wärme in Energieindustrie. Experten gehen davon aus, dass die NOx-Emissionen des Straßenverkehrs im Zeitraum 2000 bis 2020 stark zurückgehen werden, weil die zwischenzeitlich beschlossene Gesetzgebung für LKW und PKW zu einer effektiveren Abgasreinigung führen wird.(1) Was die Energieindustrie betrifft, ist dem Energiereferenzszenario zufolge zu erwarten, dass nach 2010 verstärkt Braun- und vor allem Steinkohle zur Stromerzeugung eingesetzt werden. In der Folge dürften die NOx-Emissionen deutlich steigen. Bei dieser Zunahme ist auch die Auswirkung des beschlossenen Ausstiegs aus der Kernenergie zu berücksichtigen, der eine Erhöhung der Energieproduktion aus fossilen Brennstoffen zumindest so lange zur Folge haben wird, bis regenerative Quellen in umfassenden Maße diesen Teil der Energieerzeugung übernehmen können. Nähere Untersuchungen haben gezeigt(2), dass eine Reduzierung der NOx-Emissionen im Kraftwerkssektor technisch verfügbar und wirtschaftlich machbar ist. Da die NEC-Ziele Jahresfrachten darstellen, würde es ausreichend sein, eine Verschärfung der Abgasvorschriften für Kraftwerke auf Frachten zu beschränken.
Reduzierung der NOx-Emissionen aus Kraftwerken
Das Bundesumweltministerium hat am 17. September 2007 den beteiligten Kreisen einen Verordnungsentwurf (Verordnung zur Absicherung der Nationalen Emissionshöchstmengen) übersandt, der für Kraftwerksneubauten eine Verschärfung des Grenzwerts für Emissionen von NOx-Frachten vorsieht. Es wird für Stein- und Braunkohlekraftwerke ein Monatsmittelwert von 100 Milligramm pro Kubikmeter (mg/m3) – angegeben in Stickstoffdioxid (NO2) – eingeführt. Beim Einsatz von gasförmigen Brennstoffen in Gasturbinen soll ein Monatsmittelwert von 20 mg/m3 gelten. Zum 10. Oktober 2007 sind die beteiligten Kreise und zum 11. Oktober 2007 die Länder nach § 51 Bundes-Immissionsschutzgesetz zur Anhörung eingeladen.
Reduzierung der NOx-Emissionen der Abfallverbrennung
Im genannten Verordnungsentwurf wird auch für die Abfallverbrennung (MVA) der Monatsgrenzwert von 100 mg/m3 gefordert. Gegen diese Planung haben Vertreter der Abfallwirtschaft Kritik erhoben, da sie eine einseitige Verschärfung der Vorgaben für die Müllverbrennung befürchten. Betrachtet man allein die Frachten, dann besitzen die Kraftwerke eine größere Bedeutung bei NOx-Emissionen. Die Abfallwirtschaft leistet nur einen eigenen Beitrag von circa 0,12 Kilotonnen NOx pro Jahr (kt/a NOx). Wenn jedoch der Sektor der Abfallverbrennung nicht angepasst wird, dann würden Kohlekraftwerke zukünftig einen höheren Umweltschutzstandard aufweisen als konventionelle Abfallverbrennungsanlagen. Die neue Verordnung strebt nicht an, die Vorgaben für die Müllverbrennung einseitig zu verschärfen, sondern will eine Gleichbehandlung aller thermischen Verfahren erreichen. Eine Ungleichbehandlung würde zu erheblichen Akzeptanzverlusten für Neuanlagen führen.(3) Wichtig ist weiter, dass für die Abfallmitverbrennung ebenfalls eine Absenkung der Grenzwerte vorgesehen ist.
Anmerkungen
1 Nationales Programm zur Verminderung der Ozonkonzentration und zur Einhaltung der Emissionshöchstmengen gemäß § 8 der
33. BImSchV, BMU, 2007; Internet: www.bmu.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/nationales_programm_ozon.pdf
2 Maßnahmen zur Einhaltung der Emissionshöchstmengen der NEC-Richtlinie, FKZ 205 42 221, Projektgemeinschaft IFEU, IER, IZT, DFIU, Februar 2007
3 Lahl, Uwe: Techniken zur Emissionsminderung von Stickoxiden, Vortrag auf dem HSE-Forum in Darmstadt, 5.9.2007
Weiterführende Quellen
Lahl (2005): Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft – Der Emissionsbilanz zufolge trägt die Abfallwirtschaft mengenmäßig nur unwesentlich zur Feinstaubbelastung bei. Artikel aus der Zeitschrift Müllmagazin“ 4/2005 von Dr. habil. Uwe Lahl, Ministerialdirektor im Bundesumweltministerium. Im Internet: www.bmu.de/luftreinhaltung/feinstaub/doc/36607.php (26. September 2007)
Lahl, Uwe: 17. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes. Fazit und Ausblick. Internetangebot des BMU, Themen A-Z, Luftreinhaltung. Im Internet: www.bmu.de/luftreinhaltung/doc/5531.php (26. September 2007)
Lahl, Uwe: Feinstaubemissionen aus der Biomasseverbrennung in Kleinfeuerungsanlagen. Hintergrundpapier zum Vortrag von MinDir Dr. habil. Uwe Lahl auf der Veranstaltung Initiative individuelles Heizen am 25. Januar 2006 in Berlin. Internetangebot des BMU. Im Internet: www.bmu.de/luftreinhaltung/feinstaub/doc/37087.php (26. September 2007)
BMU, Internet: www.bmu.de/abfallwirtschaft/aktuell/aktuell/3794.php, www.bmu.de/fb_abf/
BMU: 17. BImSchV. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über die Verbrennung und die Mitverbrennung von Abfällen). Internetangebot des BMU, Themen A-Z, Luftreinhaltung. Im Internet: www.bmu.de/luftreinhaltung/doc/4784.php (26. September 2007)
UBA: Abfallwirtschaft. Aktuelles. Im Internet: www.umweltbundesamt.de/abfallwirtschaft/index.htm (26. September 2007)
BMU: Abfallpolitik in Deutschland, EU und international. Abfallpolitik in der EU. Internetangebot des BMU (mit weiteren Links). Im Internet: www.bmu.de/fb_abf/?fb=2968 (26. September 2007)
BMU: Abfallpolitik in Deutschland, EU und international. Abfallpolitik in der OECD. Internetangebot des BMU (mit weiteren Links). Im Internet: www.bmu.de/fb_abf/?fb=36456 (26. September 2007)
BMU: Abfallpolitik in Deutschland, EU und international. Auskunftsstellen (mit weiteren Links). Im Internet: www.bmu.de/fb_abf/?fb=2970 (26. September 2007)
Dr. habil. Uwe Lahl ist Ministerialdirektor im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und Leiter der Abteilung Immissionsschutz und Gesundheit, Anlagensicherheit und Verkehr, Chemikaliensicherheit.
Adresse: Bundesumweltministerium, Robert-Schuman-Platz 3, D-53175 Bonn, Tel. 0228.99 3052400 /-2401, eMail: Uwe.Lahl@bmu.bund.de, Internet: www.bmu.de.
Copyright: | © Rhombos Verlag |
Quelle: | MITVERBRENNUNG (Oktober 2007) |
Seiten: | 2 |
Preis: | € 0,00 |
Autor: | Prof. (apl.) Dr. Uwe Lahl |
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